Evangelischer Presseverband für Bayern e.V.

40 Jahre Frauenordination in Bayern

 

Heft 4/2015 Ganz normal?

Von Johanna Beyer

 

Auguste Zeiß-Horbach, promovierte Theologin, forscht seit 2011 an der Augustana-Hochschule zur Geschichte und Wirkgeschichte der ersten Theologinnen in Bayern. Immer wieder hat sie Ergebnisse ihrer Forschung veröffentlicht, so als Beitrag zum Argula-von-Grumbach-Preis 2013, veröffentlicht in der Zeitschrift Pastoraltheologie 4, 2013, S. 126 ff.

Im Jahre 2015 feiern die Theologinnen in Bayern oder besser, die Evang.-Luth. Kirche in Bayern, ein doppeltes Jubiläum: 80 Jahre Theologinnenkonvent und 40 Jahre Frauenordination. Das nimmt efi zum Anlass für ein Gespräch mit der Kirchenhistorikerin.

efi: Schon der zeitliche Abstand zwischen den beiden Jubiläen zeigt deutlich: Es war ein langer Weg für Frauen ins Pfarramt. Was sind markante Punkte aus der Vorgeschichte?

Die Initiative ging von den Frauen aus. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts, seit Zulassung der Frauen zum Studium, gab es die ersten Studentinnen der Theologie. Die Kirche musste sich fragen: Wie gehen wir mit diesem Potenzial motivierter junger Mitarbeiterinnen um? 1927 diskutierte die Landessynode erstmals über das 'Amt der Theologin'. 1935 schlossen sich die bayerischen Theologinnen zu einer Interessenvertretung zusammen. Der Theologinnenkonvent war das Sprachrohr zur Kirchenleitung. Die regelmäßigen Treffen ermöglichten den theologischen und kirchenpolitischen Austausch. 1944 verkündete die ELKB ein Vikarinnengesetz, ein erster Erfolg! 1970 wurden Predigt und Sakramentsverwaltung im Dienstbereich möglich. Jedoch handhabte der Landeskirchenrat die Genehmigung für die Sakramentsverwaltung restriktiv. Nur bei Pfarrermangel wurde sie erteilt.

Die Bayerische Landeskirche führte 1975 gegen erhebliche innerkirchliche Widerstände als eine der letzten evangelischen Kirchen in Deutschland die Frauenordination ein. Was hat den Umschwung herbeigeführt und was hat er bewirkt?

Es war ein langer Prozess. 1958 erhielten Frauen das passive Wahlrecht zur Landessynode; die ersten weiblichen Synodalen wurden tätig. Die synodale Diskussion war sehr wichtig. Es beteiligten sich Gruppen, die an einer Kirchenreform interessiert waren. Die Sprache und die dahinter stehenden Geschlechterkonstruktionen änderten sich: Die "theologisch gebildete Frau" wurde zur "Theologin". Es wurde über Amt und Ordination, darunter das "Hirtenamt"', diskutiert. Man betonte das Priestertum der Getauften.

Die vollständige Gleichberechtigung der Pfarrerin hat erst noch den Rückenwind der zweiten Frauenbewegung gebraucht, sagen einige. Wie sehen Sie das?

Vor 1975 war man mit einer rein säkularen Argumentation für die Frauenordination, also mit dem Argument der Gleichberechtigung, vorsichtig. Man sprach von Gleichbegnadung. Um deutlich zu machen, dass die Entscheidung für die Frauenordination nicht dem Zeitgeist geschuldet war, sondern im ureigenen Interesse der Kirche unter Berufung auf Schrift und Bekenntnis geschah, war es wichtig, theologisch überzeugend zu argumentieren. Gegner der Frauenordination warnten vor einer Spaltung der Kirche. Um das zu verhindern, wurde der Vetoparagraph eingeführt. Damit konnten Pfarrer bis 1998 den Einsatz einer Pfarrerin in ihrer Gemeinde verhindern.

Im Kampf um die Abschaffung dieses Paragraphen, wurde die Forderung deutlich ausgesprochen, die Kirche dürfe Frauen nicht diskriminieren. 1991 lautete eine Schlagzeile der Süddeutschen Zeitung "Wenn der Pfarrer Platzhirsch bleiben will". 1995 nahm die ELKB einen Gleichstellungsartikel in ihre Verfassung auf. Inzwischen sind Frauen auch in kirchenleitenden Ämtern vertreten.

Anlässlich des 75. Jubiläums des Theologinnenkonvents (2010) entschuldigte sich Landesbischof Friedrich bei den Pfarrerinnen dafür, dass die Landeskirche ihnen lange Zeit verwehrt habe, "das gleichberechtigte Zeugnis von Jesus Christus ausrichten zu dürfen". Die Landeskirche habe Schuld auf sich geladen, "indem sie Männern und Frauen in der Nachfolge Jesu nicht den gleichen Wert und die gleichen Möglichkeiten eingeräumt hat, wie es der Glaube an Jesus Christus geboten hätte." Sie habe das "tiefe und wichtige Zeugnis von Frauen überhört und verhindert". Dies habe tiefe Wunden geschlagen. Er danke Gott für all die "mutigen Visionärinnen, die den Weg der Frauen in das geistliche Amt geebnet haben".

Altbischof Friedrich hat von den Pfarrerinnen als Schatz der Kirche gesprochen. Welche Schätze brachten und bringen die Pfarrerinnen nach Ihren Erkenntnissen ein?

Die ersten Theologinnen waren beseelt von dem Willen, als kompetente Mitarbeiterinnen im geistlichen Amt ernst genommen zu werden. Sie forderten Kollegialität und Partnerschaft in der Zusammenarbeit mit den Pfarrern. Der Leitbegriff der Partnerschaftlichkeit hat die Amtskirche seit den 1950er Jahren verändert.

Er sollte auch in der Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen, wie Kirchenmusiker_innen und Sozialpädagog_innen zum Tragen kommen. Hier und da lebt auch heute noch etwas fort von dem "Ein-Mann-Pfarramt", das die frühen Theologinnen kritisierten. Käthe Rohleder, eine der ersten ordinierten Pfarrerinnen. formulierte 1986: "Emanzipation verstehe ich als Verbindung von Freiheit und Verantwortung. Das wichtigste dabei ist die Solidarität."

Sie haben Ihre Forschungsergebnisse in einer großen Publikation zusammengefasst. Welche Themen sprechen Sie dort an? Wann können wir das nachlesen?

Die "Geschichte der Frauenordination in Bayern" erscheint voraussichtlich 2016. Dazu habe ich umfangreiche Bestände des Landeskirchlichen Archivs ausgewertet und mit Zeitzeug_innen gesprochen. Die Diskussion in der VELKD, die Landesbischof Dietzfelbinger zu prägen versuchte, kommt in den Blick. Auch die Motivation und die Argumente der Gegner werden untersucht.

Das macht neugierig! Vielen Dank für das Gespräch.