Aktive Nächstenliebe
Von Renate Seißler
"Grüne Damen und Herren" bringen Trost und Freude in Hospitäler und Altenheime.
Die Hände desinfizieren! So profan beginnt der Tag, wenn Kristina von Schmeling ihren Dienst versieht. Sie weiß nie, was sie danach erwartet. Hinter jeder Tür, die sie an solchen Tagen öffnet, warten Menschen mit unterschiedlichen Schicksalen auf sie. Die einen freuen sich darüber, dass eine an ihnen vorgenommene Operation gelungen ist. Andere hoffen, bald nach Hause zu dürfen. Dritte sind traurig darüber, dass es mit ihrem Gesundwerden nicht so voran geht, wie erhofft. Manchmal erfährt sie, dass ein Mensch, den sie besucht, bald sterben muss und darum weiß. Das sind Momente, in denen der 64-Jährigen fast die Worte fehlen. "Gelegentlich ist es tröstlich, zu schweigen". Dann hört sie einfach "nur" zu. Muntert durch ihr Dasein auf. Erfüllt kleine Wünsche: besorgt eine Zeitung oder eine Telefonkarte, begleitet zu Untersuchungen. So bringen Kristina von Schmeling und die anderen "Grünen Damen im Münchner Krankenhaus "Martha-Maria" Freude, Trost und Kurzweil in sterile Krankenzimmer. Sie heißen "Grüne Damen", weil sie lindgrüne Kittel tragen. Eingefallen ist diese Art des Samariterdienstes, Brigitte Schröder, Ehefrau des Ex-Bundesaußenministers Gerhard Schröder. Schirmherrin der "Grünen Damen und Herren" - die unterm Dach der Evangelischen Krankenhaus-Hilfe (EKH) arbeiten - ist die Landesbischöfin von Hannover, Margot Käßmann. Am 29. und 30. September 2009 wird die EKH in Bonn mit über tausend ehrenamtlich dienstbaren Helferinnen und Helfern ihren 40. Geburtstag feiern.
1,8 Millionen Stunden verschenkt
Im "Martha-Maria" besuchen abwechselnd 21 Frauen die Kranken. In München sind über 150 "Grüne Damen und Herren" in acht Krankenhäusern und in drei Seniorenheimen tätig. Kristina von Schmeling und Barbara Müller planen deren Einsatz. Bundesweit kümmern sich rund 11 000 "grüne Freiwillige" um Sorgen und Nöte kranker und alter Menschen. Sie "schenken" Zeit. 2008 waren es 1,8 Millionen Stunden.
Die betagte, hellwache Patientin freut sich darüber, dass eine "Grüne Dame" bei ihr hereinschaut. Sie ist nach einer Operation ans Bett gefesselt. "Es ist schön, dass ich mich mit Ihnen unterhalten kann", sagt sie zu Kristina von Schmeling. Die weiß: "Ich muss bereit sein, mich auf andere einzustellen und darf keine Berührungsängste haben. Das Wichtigste aber ist das Zuhören." Sie will ihr positives Lebensgefühl an andere weitergeben. "Dabei habe ich unendlich viel für mich gelernt." Mit Kristina von Schmeling sind an diesem Mittwoch die 59 Jahre alte Margarita Döbler und die 70-jährige Helga Winter für Patienten da. Petra Wulf (55) engagiert sich gleich nebenan im Seniorenzentrum Martha-Maria. "Es kommt viel zurück", sagen alle.
Margarita Döbel: "Ich gehe mit den Menschen so um, wie ich in einer solchen Lage behandelt werden möchte." "Ein schönes Gefühl" und "Selbstbewusstsein" hat das Ehrenamt Helga Winter gebracht. Petra Wulf erklärt: "Es ist das Sinnvollste, das ich in meinem Leben getan habe." Die 55-jährige kümmert sich vor allem um demente Altenheimbewohner. Sie hilft ihnen beim Essen, singt oder geht mit ihnen im Park spazieren. "Selbst wenn sie ihre Kinder nicht mehr erkennen und sonst kein Wort sprechen, die alten Lieder singen sie mit. Es ist ein großes, befriedigendes Gefühl, einen solchen Sonnenstrahl in das Leben anderer zu bringen." "Wie reagiere ich auf bestimmte Fragen? Was tue ich bei negativen Nachrichten?" Laien, die bei den "grünen Damen und Herren" mittun wollen, erhalten bei Schulungen zur Gesprächsführung Antworten auf solche Fragen. Und es wird nach dem Einführungskurs regelmäßig fortgebildet. Zum Beispiel über das Thema Depressionen. "Neue" werden eine Zeitlang von Erfahrenen begleitet, damit sie herausfinden, ob sie der Aufgabe gewachsen sind. Wer mitmachen will, sollte einmal wöchentlich drei bis vier Stunden Zeit zu verschenken haben.
Renate Seißler ist Journalistin in München.