Alles hat seine Zeit
Heft 2/2015 Schöne Königin
Von Heidi Hofmann
Die Autorin führt einen inneren Dialog; sie spricht mit sich selbst, mit anderen Worten, sie denkt.
Wie findest Du das Sponsoring des Einfrierens von Eizellen (Social Egg-Freezing) durch Google und Apple? Bist Du überrascht?
Nein, überhaupt nicht. Überraschung bedeutet etwas Unvorhergesehenes. Heutzutage kühlen wir doch längst nicht nur unsere Lasagne, sondern auch menschliche Samen, Embryonen, Blut und Leichen und vieles mehr. Warum also nicht auch Eizellen?
Auch das Sponsoring der IT-Firmen ist nichts Neues. Es hat Tradition, dass nicht nur Bevölkerungswissenschaftler und Politiker intensiv über den ökonomischen Wert von Frauen und Kindern nachdenken. Jetzt sind es Wirtschaftsunternehmen, für die gut ausgebildete Frauen, die schwanger werden, hinsichtlich ihrer Arbeitskraft, die kontinuierlich verfügbar sein soll, ein Risiko sind. Der Einfallsreichtum entsprechender Marketing-Strategien kennt keine Grenzen. Der KKV (Verband Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung) wirbt dafür, dass Frauen zehn Jahre früher als bisher, also zwischen 22 und 25, schwanger werden. Dieselbe Logik steht hinter dem Angebot von Google und Apple, die den Frauen das Angebot einer späten Mutterschaft machen. Eine solche Taktik der Unternehmen richtet sich an privilegierte Frauen. Beschäftigten, die in Call-Centern arbeiten oder einem Mini-Job nachgehen, wird die Summe von einigen Tausend Dollar für das Einfrieren und Lagern von Eizellen, wohl kaum erstattet.
Ob Frau Käsmann, Alice Schwarzer oder Günther Jauch, ob Weihbischöfe und Ethikkommissionsmitglieder eine ganze Nation hat sich an der Pro- und- Contra-Debatte beteiligt. Und Du? Bist Du für oder gegen das Social Egg-Freezing?
Mir geht es um gesellschaftliche Zusammenhänge, um Grundsatzfragen: darum, ob wir Fragen der Vereinbarkeit von Beruf und Mutterschaft, also soziale Probleme, technisch lösen wollen.
Es wird suggeriert, dass Individuen sich in einer Dilemma-Situation zwischen Dafür oder Dagegen entscheiden müssten. Dies verleitet dazu, nur noch über Einfrieren und Auftauen, Schockfrieren, Vitrifikation oder Blitzfrieren, über Statistiken und Dienstleistungen von Reproduktionszentren, nachzudenken. Für eine ethische Debatte ist mir das zu wenig.
Aber es geht doch um Ethik! Wenn Frauen die biologische Uhr anhalten und auch mit 40, 50 oder 60 Jahren selbst festlegen können, ob sie ein Kind bekommen wollen, bedeutet das doch einen Zugewinn an Chancengleichheit und Autonomie!
Lothar Matthäus ist mit 53, Pablo Picasso mit 68, Ulrich Wickert mit 69, Franz Beckenbauer mit 58; Alain Delon, Charlie Chaplin, Karel Gott sind mit 68 Vater geworden. Ja, wenn Du reproduktive Freiheit und Gleichberechtigung so verstehst, dass Frauen im 'Großmutter-Alter' ein Kind bekommen können, hast Du recht.
Es ist eine eingeschränkte Sichtweise, reproduktive Autonomie individualistisch zu verstehen: Ein Kinderwunsch von Frauen mit 20 oder mit 49 ist legitim. Wunschprofile gibt es viele. Ich habe mir sogar schon einmal gewünscht, ewig zu leben. Der Punkt ist doch, ob eine Gesellschaft diese Bedürfnisse ernst nehmen muss oder ob es nicht dringlichere Probleme gibt.
Aber siehst Du nicht, dass Frauen jetzt beides haben können? Sie müssen sich nicht mehr zwischen Karriere oder Kind entscheiden!
Reproduktionstechnologien suggerieren, nahezu jeden Wunsch erfüllen zu können. Sie verheißen Positives: 'mehr', 'besser', 'gesünder', 'länger', kurz ein 'immer und alles'. Die In-vitro-Fertilisation verspricht ein Kind, die Präimplantationsdiagnostik ein gesundes Kind. Von daher ist das Angebot, durch das Einfrieren der Eizellen Karriere und Kind haben zu können, nichts Neues.
Ehrlich gesagt, das Gespräch verunsichert mich. Mir geht jetzt so vieles durch den Kopf und ich weiß gar nicht mehr, ob ich Dafür oder Dagegen bin.
Unser Gespräch scheint Dich zu der Einsicht geführt zu haben, dass wir von der Ethik nicht endgültige Resultate im Sinne einer Ja- oder Nein-Entscheidung erwarten können. Die Beschäftigung mit Ethik strebt nicht endgültige Wahrheiten an, sondern sie will ermutigen, an der angeblich antiquierten und oft belächelten Form des eigenständigen Denkens festzuhalten. Das freut mich sehr.
Dr. Heidi Hofmann ist Lehrbeauftragte für Ethik und Philosophie. Sie lebt in Nürnberg. Zur Zeit arbeitet sie an dem Thema "Ethische Konfliktlösung".