Alles reift: Trauben, Wein, Winzerin und Weingut
Heft 3/2012 Vom Reifen
Von Juliane Brumberg
Ilonka Scheuring begrüßt mich in Arbeitskleidung und nimmt mich gleich mit in den Weinberg hoch über dem Main in Margetshöchheim nördlich von Würzburg.
Die Trauben
Im März werden die Ruten des Weinstocks niedergezogen und an Drahtrahmen festgebunden. Es ist schon warm genug, dass die Zweige geschmeidig sind. Gleichzeitig sind die empfindlichen Knospen noch vor dem Austrieb und unter einer zarten 'Wolle' geschützt, sodass sie nicht beschädigt werden. "So ein Tag wie heut, wenn die Sonne scheint und ich die Ruten niederziehe und an nichts denken muss, das ist schon schön", genießt die Jungwinzerin in Ruhe und Gelassenheit ihre Arbeit. Für eine Reihe im Weinberg braucht sie ungefähr 45 Minuten.
Zum Glück gibt es ihren Vater und erfahrene Arbeiter, die ihr an Wochenenden und in freien Stunden bei dieser Tätigkeit helfen. Weinbau ist mit viel Handarbeit verbunden. Alle drei bis vier Wochen kommt jedem einzelnen Rebstock die Pflege der achtsamen Hände zu Gute. Es beginnt im Januar / Februar mit dem Zurückschneiden der Weinreben, im März und April kommt das Niederziehen. Von Mai bis Juli folgt das Ausbrechen und Einfädeln. Um die Qualität zu steigern, werden zwischen Mai und Juli aus jedem Auge zwei bis drei Triebe ausgebrochen und die Ruten in das Erziehungssystem eingefädelt. Für eine gute Durchlüftung der Reben wird der Weinstock außerdem entblättert. "Manchmal schneiden wir dann im August noch ein paar Trauben weg und dann wartet man darauf, dass sie reif werden und alles gut geht", bangt die Winzerin schon jetzt. "Auf das Reifen muss man warten." Der richtige Zeitpunkt für die einzelnen Arbeitsschritte hängt immer auch vom Wetter ab und natürlich von der Erfahrung des Winzers oder der Winzerin.
Die Winzerin
Dafür, dass Ilonka Scheuring erst 27 Jahre alt und eigentlich selber noch am Reifen ist, hat sie schon erstaunlich viel Erfahrung. "Noch bevor ich geboren wurde, 1983, haben meine Eltern den ersten Weinberg gekauft. So war ich schon als kleines Kind immer dabei, bin Traktor gefahren und hab die Träubles geerntet". Nach der mittleren Reife war für Ilonka Scheuring klar, das Hobby ihrer Eltern zum Beruf zu machen. "Da bin ich mein eigener Herr, ich sehe was ich mache. Das Schönste daran ist, ich begleite mein Produkt vom Anfang bis zum Ende. Und es gibt eine Verbundenheit zu meiner Heimat, denn wenn keiner mehr Weinbau macht, dann verbuscht die Landschaft", sagt die tatkräftige junge Frau und zeigt auf das gegenüberliegende Mainufer, an dem einige steile Hänge schon verwildert sind.
Nach der dreijährigen Ausbildung zur Weinküferin bei der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau in Veitshöchheim erweiterte sie ihren Horizont bei einem Praktikum in einer Kellerei in Südtirol und reiste dann im Januar 2006 nach Neuseeland, um dort auf einem Weingut zu arbeiten. Rechtzeitig zur Weinlese war sie wieder zurück, um sich danach in Weinsberg in Baden-Württemberg zur Weinbautechnikerin weiterzubilden.
Eine Weinprinzessin, so wie es sie in vielen Weinorten gibt, ist Ilonka Scheuring nie gewesen, denn "Margetshöchheim ist eigentlich ein Obst- und Gartendorf am Main und hier gibt es kein Weinfest". Dafür wurde sie Jungwinzerin des Jahres im bundesweiten Wettbewerb 2010/11. "In der Finalrunde musste ich Wein blind verkosten und mich und mein Weingut präsentieren." Dabei sammelte sie wichtige Erfahrungen für die Vermarktung, was sie übrigens auch im Jungwinzernetzwerk 'Generation Riesling" und im Netzwerk 'Frauen & Wein Vinissima' tut. "Der Austausch unter Frauen ist schon noch einmal anders", berichtet sie. In ihrer fränkischen Umgebung gibt es nur ein oder zwei Winzerinnen mit einem Weingut ähnlicher Größe, in der Ausbildung betrug der weibliche Anteil etwa ein Viertel.
Zu einer geschickten Vermarktung gehört übrigens auch, dass Ilonka Scheuring einen eigenen 'Winzerinsekt' und einen Likörwein mit dem Namen 'FeminaGlut' kreiert hat.
Das Weingut
Überhaupt spielt die Wein-Vermarktung eine wichtige Rolle in ihrem Berufsleben. Zwei- bis viermal im Jahr reist sie auf Weinmessen und war mit dem Deutschen Weininstitut schon in Oslo, um ihren Wein dort vorzustellen. "Bisher vermarkten wir 25 000 Flaschen selbst, der Rest des Weines, bisher noch mehr als die Hälfte, geht an andere Winzer." Ziel ist es, noch zu wachsen und alles "über die Flasche selbst zu vermarkten". Der durchschnittliche Ertrag in ihrem Weingut liegt bei 7000 Liter Wein pro Hektar. Bislang gehören zum Weingut Scheuring 12 Hektar. "Um als Familienbetrieb davon leben zu können, sollte man mindestens 15 Hektar bewirtschaften und selbst vermarkten", meint Ilonka Scheuring. Das Weingut Scheuring ist kein ererbter Familienbetrieb. Ilonkas Mutter ist gelernte Bankkauffrau, ihr Vater arbeitet als Gärtner in Teilzeit beim Botanischen Garten in Würzburg. Den Weinbau haben sie zunächst als Hobby im Nebenerwerb betrieben, sich nach und nach das Fachwissen angeeignet und immer mehr Flächen, auch in den Nachbardörfern, erworben. 2010 haben sie ihrer einzigen Tochter den Betrieb, der Schritt für Schritt zu einem prosperierenden Weingut heranreift, überschrieben. Für das nächste Jahr ist am Ortsrand der Bau einer eigenen Produktionshalle mit einem Flaschenlager geplant, damit die Flaschen nicht mehr "17 Kilometer entfernt gelagert werden müssen". Vater Scheuring kümmert sich nach wie vor um die Weinberge, die Mutter ist im Büro, im Verkauf und in der eigenen Heckenwirtschaft aktiv, in der die Scheurings im Herbst und im Frühjahr jeweils 5 Wochen lang jeden Tag den eigenen Wein ausschenken.
Der Wein
Höhepunkt des Jahres ist die Weinlese, die wegen des warmen Wetters in den letzten Jahren oft schon Mitte September begann. "Da kommt dann das Ergebnis, für das wir ganze Jahr gearbeitet haben." Der Vater ist froh, dass er die Arbeit jetzt mit seiner Tochter teilen kann. Während er bei der Ernte im Weinberg ist, kümmert sie sich um das Pressen der Trauben im Hof und die Weiterverarbeitung im Weinkeller. Im Laufe des Winters wird der Wein - überwiegend aus Silvaner-Trauben - dann in Abständen probiert. "Eigentlich wird der Wein besser, wenn er länger liegt, aber im Moment spielt das Reifen nicht mehr so eine große Rolle, weil die Konsumenten immer nach dem jüngsten Wein schreien" wundert sich die junge Winzerin, die ihrer Liebe zum Wein alle anderen Bedürfnisse nachgeordnet hat. "Wir haben übers Jahr enorm hohe Kosten. Wenn ich richtig Geld verdienen wollte, müsste ich mir einen anderen Beruf suchen." Auch für Urlaub bleibt wenig Spielraum. Trotzdem war sie im letzten Jahr zwei Wochen bei einem Winzerkollegen in Kanada und leistete 2009 Freiwilligenarbeit in Namibia bei einem Schulprojekt des Vereins Suni e.V. in dem kleinen Dorf Tsjaka in der Kalahari-Wüste. Dieses Projekt hat sie so begeistert, dass seitdem an den Riesling-Bocksbeutel-Flaschen eine Manschette mit dem Titel 'Genießen und Gutes Tun' hängt. Sie erklärt darauf, dass 50 Cent von jeder verkauften Flasche an die Suni-Projekte gehen. Im letzten Jahr sind so 900 Euro zusammengekommen.