Evangelischer Presseverband für Bayern e.V.

Auf die Vermittlung kommt es an

 

Heft 4/2011 "Im Anfang war das Wort ..."

Von Antje Schrupp

 

Viele JournalistInnen stellen ihre Texte kostenlos im Internet zur Verfügung, andere verwahren sich dagegen und verkaufen sie lieber. Ich frage mich, ob das nicht ein falscher Gegensatz ist. Es wäre doch besser, wenn die AutorInnen die Texte sowohl ins Internet stellen, als auch verkaufen würden.

Das Urheberrecht ist derzeit in der Debatte, ebenso die miesen Verdienstmöglichkeiten für freie Autorinnen und Autoren. Meiner Ansicht nach sind die dazu diskutierten Lösungen aber allesamt unbefriedigend. Bezahlte Texte aus dem Internet 'rauszuhalten' (oder, die Alternative, durch ein strenges Urheberrecht Bezahlung dafür einzutreiben) ist eine künstliche Verknappung des Angebots. Sie hat nicht nur den Nachteil, dass die Texte dann vielen unzugänglich sind, sondern auch - aus meiner Sicht als freie Autorin noch viel schlimmer - dass die Verbreitung von Ideen dadurch behindert wird. Etwas überspitzt gesagt: Was ich schreibe, finde ich so toll, dass ich es gerne auf allen verfügbaren Kanälen verbreiten will.

Wofür werden Autorinnen eigentlich bezahlt?

Die 'Gewerkschaftslösung', also dass AutorInnenverbände verbindliche Honorarregelungen aushandeln, an die sich die Medien dann auch halten, ist angesichts der Marktmechanismen eher unwahrscheinlich. Außerdem folgen Gewerkschaften einer Massenlogik (eine Lösung für alle), die heute nicht mehr funktioniert. Die derzeit diskutierte Lösung 'Kulturflatrate' gefällt mir auch nicht, denn da fragt frau sich doch gleich wieder, welche illustren Gremien denn dann wohl darüber entscheiden, wer vom Kuchen etwas abkriegt - und wer nicht.

Angesichts vieler schlechter Lösungen sollte man sich nicht für die am wenigsten schlechte entscheiden, sondern eine bessere suchen. Also: Was tue ich eigentlich genau, wenn ich einen Text in meinem Blog oder auf meiner Homepage schreibe und veröffentliche? Was daran ist bezahlenswert und von wem?

Da gibt es drei Möglichkeiten: Entweder ich schreibe, weil ich etwas sagen will, ein Thema wichtig finde und meine Gedanken dazu in die öffentliche Debatte bringen möchte (dieser Text gehört in diese Kategorie). Oder ich schreibe, weil jemand anderes mich damit beauftragt hat, weil er oder sie sich davon offenbar etwas erhofft (das ist der Fall bei den meisten Artikeln oder Vorträgen die ich schreibe). Oder, drittens, ich schreibe, um Geld zu verdienen. Früher haben sich diese drei Faktoren oft vermischt, wenn auch nur idealerweise. Ich glaube, um die heutige Situation zu verstehen, muss man sie trennen.

Im Netz, um gefunden zu werden

Zum ersten Punkt: Texte, die ich schreiben will, schreibe ich sowieso - und das Internet gibt mir die fantastische Möglichkeit, sie auch noch publizieren und bewerben zu können. Das ist ganz wunderbar, denn ich bin dabei völlig unabhängig von den üblichen Kanälen (Universitäten, Verlage, Redaktionen), bei denen ich in vor-digitalen Zeiten Klinken putzen musste.

Was direkt zum zweiten Punkt führt: Gerade, indem ich meine Ideen frei ins Internet stelle, finde ich oder finden mich Menschen, die mich mit irgendwelchen Dingen beauftragen - und mir dafür auch Geld bezahlen. Nur weil meine Vorträge im Netz stehen, wissen sie ja, dass ich Themen auf eine Art und Weise bearbeite, die ihnen gefällt. Nur was genau bezahlen sie dann? Sie bezahlen nicht die Ideenproduktion als solche (worum es im Urheberrecht geht), sondern deren Bearbeitung für ihr genaues Bedürfnis: dass ich bei ihnen einen Vortrag halte oder einen Text, der im Netz schon längst steht, für genau ihr Medium, ihre Publikation noch einmal aufbereite, oder dass ich einen Gedankengang, den ich längst entwickelt und publiziert habe, in ihrem Kontext noch einmal vermittle, etwa bei einer Podiumsdiskussion.

Seit ich mir klar mache, dass ich nicht meine Ideen verkaufe (die sind im Netz frei verfügbar), sondern deren Vermittlung, kann ich in solchen Fällen viel besser über Geld verhandeln. Weil nämlich die alten Argumente, Honorare zu drücken, bei mir nicht mehr funktionieren. Ich soll mich ohne Honorar fürs Fernsehen interviewen lassen oder eine Lesung halten, um mein Buch zu promoten? Hab ich nicht nötig, ich promote mich selbst. Wenn ich für so etwas Zeit aufwende, dann nicht für mich, sondern für die Auftraggeberin, also will ich Geld sehen. Oder: Ich soll ohne Honorar einen Vortrag halten, weil das Projekt so politisch, gemeinnützig, wichtig ist, aber leider keinen Etat hat? Kann ich inzwischen ganz ohne schlechtes Gewissen absagen: Sie können meine Texte zu ihrem Thema ja aus dem Internet ziehen und selber lesen - der 'guten Sache' ist also Genüge getan. Meine Erfahrung ist, dass sich auf dieser Basis gute Honorare aushandeln lassen, und wenn nicht, verbringe ich meine Zeit jedenfalls nicht mit Gratisarbeit.

Autorin sein funktioniert heute anders

Das heißt, das Autorin-Sein, sofern es Quelle des Gelderwerbs ist, funktioniert heute anders. Nicht die Originalität der Idee wird bezahlt, denn die Idee als solche steht allen zur Verfügung, sondern die Vermittlung dieser Idee - und die hat tatsächlich immer noch einen Marktwert, vielleicht sogar einen steigenden. Jedenfalls mache ich diese Erfahrung.

Bleibt der dritte Punkt. Was ist mit denen, die ausschließlich schreiben, um Geld zu verdienen? Ich glaube ja nicht, dass das viele sind - aber die es betrifft, sollten vielleicht doch lieber etwas anders machen. Es kann doch nicht sinnvollerweise einen Anspruch darauf geben, mit einer bestimmten Tätigkeit Geld zu verdienen. Schon viele ehedem nützliche Berufe sind im Lauf der Zeit ausgestorben. Warum auch nicht der der AutorIn gegen Geld?

Bleibt natürlich die Frage, was mit jenen AutorInnen ist, die zwar aus Engagement und um der Themen willen schreiben, ihre Ideen aber nicht 'verkaufen' können? Dafür kann es ja viele Gründe geben, die nichts mit der Qualität ihrer Arbeit zu tun haben müssen. Sie brauchen natürlich trotzdem Geld zum Leben. Aber dieses Problem betrifft ja nicht nur sie, sondern viele Menschen, die wichtige Dinge tun, die aber nicht marktförmig verwertbar sind. Wir brauchen also nicht Subventionen für eine bestimmte Art von Arbeit, sondern ein bedingungsloses Grundeinkommen. Damit alle Menschen ohne Konformitätsdruck das machen können, was ihnen wichtig ist.

Dr. Antje Schrupp ist Journalistin in Frankfurt. Viele ihrer Texte können kostenlos in ihrem Blog "Aus Liebe zur Freiheit" gelesen werden: www.antjeschrupp.com