Evangelischer Presseverband für Bayern e.V.

Beste Freundinnen

 

Heft 1/2009 Immer wieder neu

Von Ines Rein-Brandenburg

 

Sie hieß Gabi. In den ersten Gymnasialjahren waren wir unzertrennlich. Wie gut, dass wir jeden Tag alle Schulstunden lang nebeneinander saßen.

Wir verbrachten die Pausen miteinander, gingen Hand in Hand über den Schulhof, erzählten uns alles, kungelnd, kichernd, einig im Lästern und Urteilen über den Rest der Welt. Wir ließen uns gegenseitig abschreiben, verteidigten uns gegen alle Angriffe Erwachsener oder anderer Klassenkameraden und -kameradinnen - wenn es sein musste, auch mit den Fäusten. Ab Klasse sieben brachte die Entscheidung für verschiedene Fremdsprachen die Trennung: Notwendigerweise wurden wir getrennt. In den ersten Tagen kungelten wir noch auf dem Schulhof zusammen, dann wurden schnell die anderen wichtiger: die neue Banknachbarin, neue Freundinnen - Ende der besten Lebensabschnittsmädchenfreundschaft.

Echte Leidenschaft für die Freundinnen ist nicht nur Kinderkram. Obwohl sie mit zunehmendem Erwachsenwerden schwieriger wird. Studium, Beruf, Umzüge, Familie, Lebensentscheidungen zerren an den Freundschaften. Manche halten dennoch bis ins hohe Alter. Viele vergehen. Von den meisten bleibt eine nostalgische Erinnerung - weißt du noch, damals? Schön, dich mal wieder zu sehen - aber unsere Leben haben sich auseinander entwickelt. Lebensabschnittsbeziehungen eben. Vielleicht gehört es zur Lebenskunst, in jedem Lebensabschnitt eine Freundin zu finden, die zu den jeweiligen Herausforderungen passt und inspirierend, tröstend, zupackend antwortet.

Nähe, Wärme, Geborgenheit

Wenn Psychologen nach der Qualität der Beste-Freundin-Beziehung forschen, erhalten sie eindeutige Antworten. Bei der besten Freundin spüren Frauen Nähe, Wärme, Geborgenheit, fühlen sich sicher, verstanden, akzeptiert. Sie können offen sein, ohne eine Rolle spielen zu müssen. Sie können sich aufeinander verlassen in guten und in schlechten Tagen. Beziehungen zur besten Freundin sind zeitintensiv. Besuche, Telefonate, gemeinsame Besuche von Veranstaltungen, der regelmäßige Plausch bei einer Tasse Tee oder einem Glas Wein tragen die Beziehung. Zentral sind Gespräche. Ob über Beziehungen, Zukunftspläne, Berufsentscheidungen, Spiritualität, Kultur, Literatur, persönliche Entwicklung oder ganz Banales und Alltägliches wie das sprichwörtliche Austauschen von Kochrezepten. Zentral ist auch: Vertrauen. Peinliches kann erzählt, versponnene Ideen können formuliert werden ohne die Angst, bloß gestellt oder abgewertet zu werden, aber mit der Erwartung einer ehrlichen Antwort. Andererseits kränkt ein Vertrauensbruch besonders, wo große Offenheit und emotionale Nähe herrscht.

Eine Vertrauensbasis zu finden, stärkt das Selbstwertgefühl. Auch die durchaus vorhandenen Gefühle von Neid und Konkurrenz können in einer guten Frauenfreundschaft umgemünzt werden in gegenseitigen Ansporn. Am Gegenüber wächst die eigene Persönlichkeit, können auch die geheimnisvollen oder unbewussten Wesenszüge zugänglich werden. Es wird behauptet, dass gute Freundschaften depressive Symptome reduzieren.

Praktische Hilfe

Natürlich spielt auch Hilfe in Alltagsdingen eine große Rolle. Ob Diplomarbeit schreiben oder einen Vortrag proben, Kinderbetreuung, Umzug oder Geburtstagseinladung: Die beste Freundin kann ohne Umstände und schlechtes Gewissen um Hilfe gebeten werden. Sie packt zu und weiß, was gerade nötig ist. Schließlich ist sie nah dran am Alltag. Ohne langes Erklären kann von einer Begegnung zur nächsten angeknüpft werden. Die Freundin kann fast jederzeit angesprochen werden. Man kann sich einander zumuten, ohne eine Zumutung zu sein. Man kann, muss aber auch miteinander rechnen.

Frauen brauchen ihre beste Freundin vor allem als emotionalen Fels in der Brandung, als Trösterin, als Gesprächspartnerin und gute Zuhörerin. Darin liegt der Gegensatz zu Männerfreundschaften. Die definieren sich häufiger durch gemeinsame Unternehmungen und das Bestehen von Herausforderungen. Männerfreunde gehen miteinander auf Bergtour, sie verhelfen sich zu Vorteilen und guten Geschäften, sie besiegen einen gemeinsamen Gegner - sportlich oder geschäftlich.

Nach dem Weltkrieg blieben viele Frauen unverheiratet. Manche Frauenfreundschaft ging weit über den Plausch in der Freizeit hinaus - es waren stabile Lebenspartnerschaften - ohne sexuelle Komponente. Selten lebten die Frauen zusammen, denn für diese Generation war die Wohngemeinschaft noch nicht en vogue. Die Freundin - das war verlässliche Referenz. Sie kannte Pläne und Aufenthaltsort, half bei Krankheit, hatte feste Zeiten und Rituale für regelmäßige Besuche und Telefonate. Der Tod einer der Freundinnen bedeutete für die andere einen tiefen Einschnitt.

Freundin gegen Mann

Die größte Herausforderung für die Beste-Freundin-Beziehung ist ein Mann. Genauer gesagt: die große Liebe, der neue Schwarm, der Prinz. Anfangs wird die beste Freundin noch ins Vertrauen gezogen, darf die Gefühlsstürme der jungen Liebe miterleben, hört sich geduldig und mitfühlend die Begeisterung über den Einen und Einzigen an. Bald ist für gemeinsame Unternehmungen mit der Freundin keine Zeit mehr und keine Notwendigkeit. Schließlich lassen sich alle Dinge des Lebens nun mit der großen Liebe besprechen, teilen, unternehmen - und zu all diesem Glück kommt noch der Sex dazu. Die Freundin wird abgeschoben, vertröstet, kurz gehalten. Wer dies nicht mit Langmut, Geduld und Masochismus erträgt, geht. Ende einer besten Lebensabschnittsfrauenfreundschaft.

Manche Beziehungen werden trotzdem lebenslang weiter gepflegt, mitgeschleppt, neu aufgefrischt in der Krise, die irgendwann später hereinbricht. Denn ach, ist doch die beste Freundin vor allem eine gute Zuhörerin fürs Herzeleid.

Glaubt man dem Kultfilm Sex in the City oder ähnlichen Rollenbildern aus Film und Literatur, treffen sich die Freundinnen eigentlich nur, um über ihre Last und Lust mit Männern zu reden: Wie frau den Richtigen findet, hält, becirct, über die Qualitäten des neuen Schwarms, und über den Herzschmerz, wenn er sich abwendet oder sich doch nur als normaler Durchschnitts-Langweiler entpuppt. Gibt es keine wichtigeren Themen? Gibt es die Frauenbeziehung mit Eigen-Wert und -Würde, auf Dauer und unabhängig von Männergeschichten nur als Traum? Doch, es gibt sie vereinzelt auch in der Wirklichkeit - aber sie sind zerbrechlich, leicht verderblich und brauchen aufmerksame Pflege.