Evangelischer Presseverband für Bayern e.V.

Das politische Spiel durchbrechen

 

Heft 1/2015 Auf der Flucht

Von Antje Schrupp

 

Die Abneigung vieler Frauen gegen die herkömmlichen (männlichen) politischen Organisationsformen und Verfahrensweisen (‚Machtspielchen') führt derzeit zu einem Rückzug engagierter Frauen und somit zu einer ‚Wiedervermännlichung' vieler traditioneller Institutionen. Dies wird aber nicht als politischer Konflikt thematisiert, sondern in der Regel als Defizit der Frauen interpretiert. Quotendebatten zum Beispiel werden immer noch so geführt, als solle damit "den Frauen etwas Gutes getan" werden, während doch vor allem die Institutionen selbst davon profitieren würden. Frauen, die sich in Institutionen oder Parteien engagieren, sind weiterhin starken Assimilierungserwartungen ausgesetzt (sie sollen sich "den Spielregeln anpassen"). Es herrscht immer noch ein universalistisches Menschenbild vor, wonach das Männliche (Weiße, Heterosexuelle usw.) die Norm ist, an dem sich die ‚Anderen' (Frauen, Queers usw.) messen lassen bzw. vor denen sie sich bewähren und legitimieren müssen.

Institutionen und Parteien kreisen vor allem um ihre Selbsterhaltung. Die Bereitschaft, sich selbst grundlegend in Frage stellen zu lassen, ist gering; es geht mehr um Machterhalt als um Politik und Gesellschaftsgestaltung. Auch entschlossene und konfliktbereite Frauen bewirken kaum langfristigen Veränderungen: Selbst wenn sie in ihrem Einflussbereich etwas anstoßen, bleibt dies von ihrer Präsenz abhängig. Sobald sie gehen, kehren die Institutionen wieder in ihren alten Modus zurück. Es ist, wie wenn man in einem zähen Brei rührt, der sich träge wieder in die Ausgangsposition begibt, sobald man mit dem Rühren einmal nachlässt.

Institutionen sind für Frauen nicht attraktiv

Wenn sich in konkreten Politikfeldern (zum Beispiel Kandidaturbereitschaft) signifikante Unterschiede zwischen Frauen und Männern zeigen, könnte das bewusst als Potenzial zur Veränderung gelesen und diskutiert werden. Die Abwesenheit von Frauen ist ein Zeichen des Legitimationsverlustes der betreffenden Institution, da sie es offenbar nicht schafft, für Frauen attraktiv zu sein. Institutionen, in denen sie nicht freiwillig (also ohne Quote) in gleicher Weise vertreten sind wie Männer, sind nicht repräsentativ für die Gesellschaft und verlieren zu Recht an Relevanz und Legitimation. Man sollte ihnen keine Autorität zusprechen.

Neue Verfahrensweisen des Politischen finden

Es sind politische Entscheidungen zu treffen: Will ich die tradierten Institutionen retten (etwa durch mehr ‚Frauenpower') oder bin ich ihnen keine Loyalität schuldig? Es geht nicht darum, diese alten Institutionen zu zerstören. Wir können ihnen einfach zuschauen, beim Sterben oder beim Sich Erneuern, je nachdem, und dann entsprechend handeln. Das Zentrum des eigenen politischen Handelns liegt dann außerhalb der Institution (etwa in einem feministischen Netzwerk), aber nicht in Gegnerschaft zu ihr. Es kann auch sinnvolle Politik innerhalb der Institutionen gemacht werden, wenn man sie nicht als Autorität anerkennt, sondern als Gegebenes mit Realismus hinnimmt.

Inhaltlich vertreten Frauen sehr unterschiedliche bis gegensätzliche Ansichten. Das Augenmerk sollte jedoch weniger auf inhaltlichen Differenzen liegen als vielmehr auf den Verfahrens- und Organisationsweisen des Politischen, da dies das größte Hemmnis für Änderungen ist und den Frauen das größte Unbehagen bereitet.

Wie können Verfahrensweisen gefunden werden, die dem ‚Anderen' Gehör und Aufmerksamkeit verschaffen, ohne dass es sich vorher assimilieren muss? Gibt es innerhalb der Institutionen Personen, die an einer Veränderung interessiert sind, zu denen man Beziehungen aufbauen könnte Es lohnt sich, Bewusstsein für die Wichtigkeit von Räumen und Örtlichkeiten (Settings) zu entwickeln: Die Politikmuss raus aus den Parlamentsgebäuden und Sitzungssälen.

(Weiße, heterosexuelle usw.) Männer verstehen oft nicht, was weibliche Differenz ist, weil sie Frauen (und andere ‚Andere') nur als Variante ihrer selbst denken (können?). Sie glauben, dem Feminismus gehe es um die Gleichstellung mit ihnen selbst. Sie verstehen nicht, dass es um eine Veränderung der Welt dem weiblichen Begehren(bzw. dem Begehren der Anderen) entsprechend geht. Die französische Autorin und Anarchistin Louise Michel brachte es schon im 19. Jahrhundert auf den Punkt: "Behaltet eure Privilegien, wir wollen sie nicht!"

Widerstände - auch in linken, emanzipatorischen Kreisen

Es ist sehr schwer, diese Blockade zu überwinden, und das führt zu mancherlei Frustration. Daher ist auch unter Feministinnen die Versuchung groß, eigene politische Inhalte mit den Mitteln der traditionellen institutionellen Macht durchzusetzen, anstatt sich um eine gute - und mühselige - Vermittlung zu bemühen. Zumal ihre Verbündeten (linke Männer zum Beispiel) sie als Verbündete häufig nur solange akzeptieren (und hofieren), wie ihre überkommenen Politikkonzepte nicht grundlegend in Frage gestellt werden.

Damit aber wird das Spiel gerade nicht durchbrochen.

Die promovierte Politologin Antje Schrupp arbeitet als Journalistin und Bloggerin in Frankfurt. Dieser Text über Blockaden und Strategien eines feministischen Politikwechsels entstand für einen Arbeitskreis des Instituts für Solidarische Moderne, das sich in unterschiedlicher Weise mit den Möglichkeiten eines Politikwechsels, unter anderem auch in feministischer Perspektive, beschäftigt.