Die "Grande Dame des Comics"
Von Leonie Krüger
Wer war Erika Fuchs, die "Grande Dame des Comics", wie sie ihr ehemaliger Verlag Ehapa in einem Nachruf nannte? Schon früh zeigte sich: eine emanzipierte, gebildete und selbstbewusste Persönlichkeit.
1906 in Rostock geboren, wuchs sie in Persante in Hinterpommern auf, wo der Vater als Direktor eines Elektrizitätswerks arbeitete. Die wohlhabende Familie schickte Erika auf die Höhere Töchterschule. Ihr Fazit: "Wir trieben viel Unsinn und lernten wenig. Dabei war ihr Vater ein strenger Erzieher: "Bei uns daheim wurde nicht argumentiert und nicht ausdiskutiert. Da wurde befohlen und gehorcht." Trotzdem besaß Erika ein bemerkenswertes Durchsetzungsvermögen. Sie wollte unbedingt aufs Gymnasium gehen, doch das Knabengymnasium in Persante war nur Jungen vorbehalten. Aber Erika gab nicht nach. Die Angelegenheit kam bis vor den Stadtrat. Schließlich erhielt sie die Erlaubnis, als erstes Mädchen das örtliche Knabengymnasium zu besuchen, und legte dort 1926 das Abitur ab.
Promotion mit "summa cum laude"
Erfolg war ihr auch im Studium beschieden: In Lausanne, München und London studierte Erika Kunstgeschichte, Archäologie und mittelalterliche Geschichte. Ihre Promotion über den deutschen Barock-Bildhauer Johann Michael Feichtmayer wurde mit "summa cum laude bewertet. Ihr privates Glück fand sie ebenfalls in dieser Zeit: 1932 heiratete sie in München ihren Studienkollegen, den Ofenfabrikanten und Erfinder Günter Fuchs (1907-1984).
1933 zogen sie in das Haus ihres Mannes nach Schwarzenbach an der Saale südlich von Hof, in die tiefste Provinz. Dort kamen die beiden Söhne zur Welt. 1941 wurde Günter Fuchs zur Wehrmacht eingezogen und arbeitete als technischer Direktor einer Testanlage zur Produktion der "V2"-Rakete. Die Familie überlebte zwar den Zweiten Weltkrieg, doch blieb das Geld knapp. In dieser schwierigen Situation - "finden Sie mal einen Verlag, wenn Sie in der Provinz hocken!" - erwies sich Erikas diplomatisches Geschick. Sie arbeitete als Übersetzerin für amerikanische Magazine, u. a. für Readers Digest. Als die Aufträge versiegten, reiste sie kurz entschlossen nach Stuttgart zum verantwortlichen Verlag. Mit viel Hartnäckigkeit und Eloquenz gelang es ihr, indem sie u. a. auf ihr Engagement in der Schwarzenbacher Elternvereinigung hinwies, als Übersetzerin für kindertaugliche Texte Aufträge zu bekommen. So schaffte sie schließlich den Sprung zur Chefredakteurin des 1951 gegründeten Ehapa-Verlags in Stuttgart, der die Micky-Maus-Hefte herausgab.
Zunächst finanzielle Gründe, dann Spaß und Leidenschaft
"Einfach schauderlich", lautete ihr erstes Urteil: Als Kind aus gutbürgerlichem Haus war Erika Fuchs von den Comics zunächst wenig angetan und nahm den Auftrag nur aus finanziellen Gründen und dank der Überredungskunst ihres Mannes an. Doch schon die erste deutschsprachige Ausgabe des Magazins war ein voller Erfolg. Bis 1972 übersetzte Erika Fuchs alle wöchentlich erscheinenden Hefte. Im Laufe der Jahre hatte sie so viel Spaß und Leidenschaft für diese Aufgabe entwickelt, dass sie in den Sechzigerjahren viele Micky Maus-Geschichten von Carl Barks für eine erneute Veröffentlichung noch einmal grundlegend überarbeitete. 1994 traf sie den amerikanischen Comic-Meister persönlich. Carl Barks urteilte über sie: "Ich war sehr beeindruckt, sie ist eine so distinguierte Person. Sie ist eine Zierde des Geschäfts."
Erika Fuchs kam spät zu Ehren: Sie erhielt 2001 den Roswitha-Preis und den Heimito-von-Doderer-Preis. 2005 starb sie im Alter von 98 Jahren. Heute wird Erika Fuchs weit über die Comic-Szene hinaus für ihre kongenialen, witzig-subtilen Sprachschöpfungen verehrt.