Evangelischer Presseverband für Bayern e.V.

Du bist meine beste Freundin

 

Heft 1/2012 Von Frau zu Frau

Von Ilse Achilles

 

Frauenfreundschaften werden von Männern häufig belächelt, von Frauen oft als selbstverständlich genommen. Dabei handelt es sich um eine sehr wertvolle Bindung, die langlebiger ist als manche Liebesbeziehung.

Sie soll alles in einem sein: Vertraute, Mutter, Schwester, anspornende Konkurrentin, vorsichtige Kritikerin, verschwiegene Geheimnisträgerin, Ratgeberin. Es ist ein Wunder, dass trotz dieser hohen Ansprüche fast alle Frauen Freundinnen, meist sogar 'beste' Freundinnen, haben - oft Jahrzehnte lang, vom Sandkasten bis in die Seniorenresidenz.

Psychologen und Soziologen weisen darauf hin, wie wichtig Freundschaften gerade in unserer Zeit sind. Ehen werden geschieden, Paare trennen sich, Familien lösen sich auf, aber Freundschaften können andauern, in familiären Krisen trösten, in emotionalen Turbulenzen stützen. Freundschaft scheint die Beziehungsform geworden zu sein, die die Vorteile der individuellen Freiheit von heute mit unseren innersten Geborgenheitsbedürfnissen verbindet.

Freundschaften sind wichtig

Frauen- und Männerfreundschaften unterscheiden sich. Frauenfreundschaften sind absoluter, sie brauchen mehr Nähe, mehr Kommunikation. Nur selten haben Männer einen 'besten' Freund, sondern mehrere gute. Mit dem einen gehen sie zum Fußballplatz, mit dem anderen ins Konzert. Ihre Freundschaften sind oft angenehme Zweckgemeinschaften. Sie sprechen meist über sachliche Themen wie Sport, Politik, Beruf, auch über Frauen, aber nie - oder höchst selten - über Partnerschaftsprobleme. Bei der Begrüßung geben sie sich die Hand, schlagen sich kurz auf die Schulter, alles ok.

Frauenfreundschaften sind intensiver, schon weil Identität und Lebensgefühl einer Frau oft von der Freundschaftsbeziehung abhängen. Die meisten Frauen haben eine beste Freundin, mit der sie alles unternehmen vom Kaffeeklatsch bis zu Auslandsreisen. Sie begrüßen und verabschieden sich liebevoll, umarmen sich. Sie reden über alles, auch über Männer und Beziehungsprobleme. Ärgert sich eine Frau über einen Fehler ihres Partners, beredet sie das mit ihrer Freundin, noch bevor sie mit ihrem Partner darüber spricht. "Als ich den Verdacht hatte, dass mein Mann mich betrügt, habe ich natürlich zuerst mit meiner besten Freundin darüber gesprochen", erzählt eine 48-jährige Frau. "Gemeinsam haben wir eine Strategie entwickelt, wie ich ihn dazu bringen kann, mir die Wahrheit zu sagen. Es hat funktioniert."

Nicht nur Trost und Rat, auch Kritik können Frauen von ihrer Freundin eher annehmen als vom Partner. Eine 35-Jährige sagt " 'Diese Brille steht dir nicht.' Das lasse ich mir von meiner Freundin eher sagen als von meinem Freund. Bei ihm würde mich diese Bemerkung verletzen, bei ihr nicht." Vermutlich liegt diese Empfindung daran, dass wir die Worte der Freundin als konstruktiv erleben, beim Partner aber herabsetzend.

Sollen Frauen die erforderlichen Eigenschaften einer besten Freundin definieren, sagen sie meist, dass man zu ihr gehen könne und alles sagen, was einem in den Sinn käme. Dort könne sie alles sagen, ohne zu sortieren und zu zensieren. Wichtig ist Offenheit, die Abwesenheit von Konkurrenz- und Neidgefühlen, Verlässlichkeit, Verbindlichkeit, Verschwiegenheit.

Freundschaften müssen gepflegt werden

Zwar halten manche Freundschaften über Jahrzehnte, auch wenn die Beteiligten sich nur selten sehen. "Meine beste Freundin kenne ich seit der Grundschule. Sie lebt 400 Kilometer entfernt, wir sehen und telefonieren selten. Aber wenn wir es tun, sind wir sofort wieder auf derselben Wellenlänge", sagt eine 30-Jährige. Solche Selbstläufer-Freundschaften sind die Ausnahme. Meist muss man sich kümmern um die andere, Anteilnehmen an ihrem Leben, spüren, wann sie Hilfe braucht, sich mit ihr freuen. Das erfordert Zeit, Zuhören, Einsatzbereitschaft, gelegentlich auch das Zurückstellen eigener Bedürfnisse.

Freundschaften können leicht zerbrechen. Frauenfreundschaften sind da besonders gefährdet, weil sie häufig sehr innig und anspruchsvoll sind. Die auffälligsten Konflikte sind:

- Eine Frau nimmt mehr, als sie gibt. Sie erwartet von der Freundin Rund-um-die-Uhr-Einsatz, ständiges Zuhören und Trösten, macht sich selber aber rar, wenn sie helfen soll.

- Ein Mann taucht auf. Gerade junge Frauen unternehmen viel gemeinsam in ihrer Freizeit. Verliebt sich eine, ist es mit der weiblichen Zweisamkeit erst einmal vorbei. Eifersucht und Neid können entstehen.

- Ein Kind wird geboren. Bekommt eine der Freundinnen ein Baby, verändert sich ihre Welt völlig. Sie sorgt sich um die Verdauungsprobleme des Säuglings, während die Freundin weiterhin lieber ihre Beziehungsprobleme besprechen will. Das führt zur Entfremdung.

- Ein Verrat wurde begangen. Stellt sich heraus, dass eine Freundin ein Geheimnis ausgeplaudert hat, womöglich um eigenen Vorteil daraus zu ziehen, schlägt die Freundschaft in erbitterte Feindschaft um.

- Die Lebenswege trennen sich. In der Schulzeit waren sie ein Herz und eine Seele, danach studierte eine in einer anderen Stadt, man traf sich anfangs noch, telefonierte, dann aber verlief die Freundschaft im Sande.

Am Ende sollte eine Aussprache stehen

Manchmal endet eine Freundschaft mit einem handfesten Krach, mit Vorwürfen und Tränen. Das ist bitter, denn Vieles das an der Freundin bislang geschätzt und bewundert wurde, kehrt sich nun ins Gegenteil. Früher mochte man ihr selbstbewusstes Auftreten, jetzt sieht man darin nur den puren Egoismus. Früher mochte man ihren Humor, jetzt findet man ihre Bemerkungen nur noch geschmacklos. So macht man sich auch die gute Zeit kaputt, die man miteinander verbracht hat. Das ist tragisch, denn es bleibt ein bitterer Nachgeschmack.

Manchmal tröpfelt eine Freundschaft einfach so aus. Monate lang sahen sie sich nicht, hörten nichts von einander - und vermissten nichts. Trotzdem bleibt ein ungutes Gefühl, wenn sie sich später treffen. Allgemein gilt: Eine abgestandene Freundschaft zu beenden, ist so konsequent, wie um eine gute Freundschaft zu kämpfen. Wenn also nur eine Frau keinen Wert mehr auf die Freundschaft legt, die andere aber doch, so sollte sie um eine Aussprache bitten: "Sag mal, liegt dir noch etwas an mir?" Schafft dieses Gespräch kein neues Verständnis, dann ist das Ende traurig, aber nicht tragisch.

Ilse Achilles ist Journalistin und lebt in München