Eine Ärztin für Frauen
Von Maria Börgermann-Kreckl
Dr. Ute Bullemer arbeitet seit über 20 Jahren als Frauenärztin in München.
efi: Was bedeutet es für Sie, Gynäkologin zu sein?
Dr. Bullemer: Ich mache das sehr gerne und liebe den Beruf. In meiner Ausbildung war ich oft die einzige Frau. Ich lernte in einer männlich geprägten Medizin mit einem mechanistischen Verständnis von Krankheit und Gesundheit. Der Operationssaal war ein Heiligtum; OP-Verbot galt als Strafe. In den letzten 20 Jahren wurden immer mehr Frauen Gynäkologinnen. Heute sind die Männer in der Minderzahl, doch die Zeitschrift des Berufsverbandes heißt immer noch "Der Frauenarzt".
Warum wurden Sie Frauenärztin?
Entscheidend war mein praktisches Jahr in Brasilien. Die ersten Geburten berührten mich so, dass ich dachte: Das möchte ich später machen. In der Facharztausbildung jedoch war die am häufigsten durchgeführte Operation die Hysterektomie (Gebärmutterentfernung). Ich sollte die Frauen aufklären und stellte dabei fest, dass es oft gar keine klare Indikation dafür gab. In einem Missionskrankenhaus in Afrika begegnete ich dann der Basismedizin und sehr starken Frauen. Zurück in Deutschland erlebte ich die Zeit bis zum Abschluss meiner Facharztausbildung sehr negativ; die Patientinnen wurden grob und zum Teil auch sexistisch behandelt.
Ärztinnen und Ärzte
Ärztinnen wird kommunikative Kompetenz zugeschrieben, Männern hingegen eine höhere medizinische, stimmt das?
Ich beobachte oft, dass Frauen von männlichen Ärzten ein Medikament erwarten und bei Ärztinnen eher auf Verständnis hoffen. Männer favorisieren neue Methoden und das, was sie selber machen und legen oft weniger Wert auf Gespräche.
Wie gestaltet sich der Austausch unter Kollegen?
Kollegialer Austausch findet vorwiegend unter uns Ärztinnen statt; wir arbeiten gerne zusammen, ohne Konkurrenzangst. Bei Ärzten gibt es die Angst, dass sie einander Patienten wegnehmen, was auf ein entsprechendes Menschenbild hinweist, denn die Patientin entscheidet ja selber, zu welchem Arzt oder welcher Ärztin sie gehen möchte.
Sind Sie so etwas wie eine Hausärztin?
Oft sehe ich mich als Hausärztin, zumal ich auch Homöopathin bin. Ich brauche die Offenheit, über mein Gebiet hinauszugehen. Die Spezialisierung behindert die Ganzheitlichkeit. Die Frau wird auseinander genommen, in Teilen gesehen. Dabei sind die Erwartungen an mich hoch – oft gehe ich sehr nachdenklich nach Hause. Ich entscheide nicht, ob jemand gesund wird. Jede Frau muss ihren Weg suchen; ich gehe nicht in die Rolle der Heilerin, der Gesund-Macherin.
Frausein - eine Krankheit?
Manchmal entsteht der Eindruck, als sei Frausein als solches eine Krankheit. Müssen zum Beispiel die Wechseljahre behandelt werden?
Wechseljahre sind eine normale Phase im Leben jeder Frau. Die Hormone müssen ein neues Gleichgewicht finden. Außerdem wird nach meiner Beobachtung in dieser Lebensphase die geistig-spirituelle Dimension wichtiger. Jeder Wechsel geht mit Turbulenzen einher, die Frauen wachrütteln können. Etwa ein Drittel hat keine, ein weiteres Drittel geringe und ein weiteres Drittel erhebliche Beschwerden. Frauen sollten sich nicht mit dem Argument, es sei gut gegen Alzheimer oder zur Prophylaxe von Osteoporose Hormone verschreiben lassen, die üble Nebenwirkungen haben können. Sie sollten sich gut über Risiken und möglichen Nutzen aufklären lassen und dann entscheiden.
Finden Sie das Mammographie-Screening sinnvoll?
Das Mammographie-Screening ist umstritten; in Schweden wurde es wieder abgeschafft. Damit eine von 1000 Frauen weniger an Brustkrebs verstirbt, müssen 10 Jahre lang 1000 Frauen unnötig mammographiert werden. Wir wissen nicht, ob die Strahlenbelastung oder das Drücken der Brust bei der Mammographie eventuell schädlich sein könnten. Es gibt auch Ultraschall- Untersuchungen der Brust, die aber nicht zum Screening gehören. Ich bin dafür, die Notwendigkeit einer Mammographie immer individuell zu prüfen.
Gibt es zu viele Gebärmutterentfernungen?
In den letzten 20 Jahren gab es deutlich weniger Hysterektomien. Durch die minimal invasiven Methoden werden etwa Myome viel schonender entfernt. Hysterektomien kommen eigentlich nur noch bei Gebärmutterhalskrebs, Gebärmutterkörperkrebs, Eierstockkrebs und selten bei der Gebärmuttersenkung vor.
Umstrittene HPV-Impfung
Was halten Sie von der Impfung von Mädchen gegen Gebärmutterhalskrebs?
Die Gesellschaft und wir alle wollen Frauen und Mädchen schützen. Mütter kümmern sich sehr um die Gesundheit und die Geschlechtlichkeit ihrer Töchter und haben häufig Angst vor Krankheiten. In Deutschland gibt es pro Jahr etwa 6000 Fälle von Gebärmutterhalskrebs, ca. 1600 davon mit Todesfolge. Eine geringe Zahl bezogen auf die Gesamtzahl der hier lebenden Frauen!
Die HPV-Impfung gegen diese Krebsform ist in aller Munde. Wirtschaftlich ist sie ein großer Wurf, da eine Impfung etwa 450 Euro kostet. Doch trotzdem verschafft sie keine Sicherheit und die Frauen müssen weiterhin den Vorsorgeabstrich machen, denn es gibt ca. 15 Virus-Typen, die an der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs beteiligt sind, und nur gegen zwei richtet sich diese Impfung. Übrigens: In Ländern wie Israel, in denen die Männer beschnitten sind, gibt es fast keinen Gebärmutterhalskrebs. Und: Wenn Männer sich vor dem Geschlechtsverkehr waschen, wird das Risiko ebenfalls erheblich gesenkt.
Frauen sind heute aufgeklärter, leben Sie gesünder?
Frauen haben das Bewusstsein, viel für sich zu tun. Möglichkeiten der Entspannung wie Yoga oder Meditation sind heute selbstverständlich und werden nicht mehr belächelt. Trotzdem leben wir insgesamt nicht gesünder. Wir sind mit vielen Stressfaktoren belastet wie Umweltgiften oder steigende Arbeitsbelastung.
Auch die moderne Medizin mit ihrer Tendenz, ganz normale Körperfunktionen, wie die Periodenblutung zu unterdrücken - durch Hormonspiralen, bestimmte Pillen - trägt nicht gerade zur Gesundheit von Frauen bei. Ich halte es für wichtig zu prüfen, was Frauen schwächt und was sie stärkt und unterstützt.