Evangelischer Presseverband für Bayern e.V.

Eine starke und fromme Frau

 

Heft 1/2014 Zukunftsmusik

Von Sophie Kitzmann

 

Für ihren Beitrag über Ruth von Kleist-Retzow, eine mütterliche Freundin Dietrich Bonhoeffers, erhielt Sophie Kitzmann den zweiten Preis des Argula-von Grumbach-Wettbewerbs. Hier eine Kurzfassung ihre Ausarbeitung.

Ruth von Kleist-Retzow wurde am 4.2.1867 als Tochter des Grafen Robert von Zedlitz-Trützschler, der unter Reichskanzler Bismarck preußischer Kulturminister war, geboren. Sie lebte in einer Zeit, die erhebliche gesellschaftliche, politische und weltanschaulich-religiöse Veränderungen mit sich brachte. Trotzdem blieb sie sich und ihren Idealen immer treu. Ihre tiefe Verwurzelung im christlichen Glauben gab ihr die Kraft, die schwierigen Momente ihres Lebens zu meistern.

Ruth von Kleist-Retzow wuchs in der patriarchalen Gesellschaftsordnung des Junkertums auf. Im Alter von 16 Jahren lernte sie Jürgen von Kleist-Retzow kennen und heiratete diesen an ihrem 19. Geburtstag. Obwohl sie sich nur dreimal persönlich begegnet waren, war sich Ruth von Kleist-Retzow sicher, dass diese Ehe aus Liebe entstanden war. Das Paar bekam fünf Kinder und führte den Gutsbesitz der Familie in Pommern. Mit dem frühen Tod ihres Ehemannes Jürgen veränderte sich ihr Leben. Im Junkertum wurde ein Gut nach dem Tod des Gutsherrn in der Regel vom ältesten Sohn weitergeführt. Da Ruth von Kleist-Retzows erstgeborener Sohn zu jung war, stellte sie sich selbst dieser Herausforderung. So war sie nicht nur für die Erziehung ihrer fünf Kinder verantwortlich, sondern auch für das Wohlergehen aller Dorfbewohner in und um das Gut, bis 1913 schließlich ihr Sohn Hans-Jürgen diese Aufgabe übernehmen konnte. Um ihren Kindern eine gute Erziehung und schulische Bildung zu ermöglichen, zog die Familie von Kleist- Retzow zwischenzeitlich in die 160 km entfernte Stadt Stettin. Trotzdem kehrte sie jeweils zweimal im Monat zu ihrem Gut nach Kieckow zurück, um nach dem Rechten zu sehen.

Standhaft im Glauben während des Nationalsozialismus

Daneben beteiligte sie sich als eine der wenigen Frauen an der Berneucher Bewegung, die die Erneuerung der evangelischen Kirche zum Ziel hatte. Nach der Machtergreifung Hitlers und der Gleichschaltung der protestantischen Kirchen durch die Nationalsozialisten engagierte sie sich in der Bekennenden Kirche, woraus ein enger Kontakt und eine tiefe Freundschaft mit Dietrich Bonhoeffer entstanden, dessen Predigerseminar in Finkenwalde sie sowohl geistig als auch materiell unterstützte. Nachdem Bonhoeffer von den Nationalsozialisten mit Rede- und Schreibverbot belegt worden war, stand sie ihm als mütterliche Freundin und Beraterin zur Seite und ermöglichte ihm, in ihrem Haus an seinem Werk ‚Ethik‘ zu arbeiten. Dort lernte er auch seine spätere Verlobte, Ruth von Kleist-Retzows Enkeltochter Maria von Wedemeyer, kennen. Während des Dritten Reiches gewährte von Kleist-Retzow verfolgten Juden und Halbjuden Unterschlupf in ihrer Stettiner Wohnung, während Bonhoeffer ihnen zu Visa und Transport nach Schweden verhalf. Zudem vermittelte sie zwischen dem Widerstandskreis um Dietrich Bonhoeffer und dem ihrer eigenen Familie.

Nachdem die Gestapo Bonhoeffer und enge Verwandte Ruth von Kleist Retzows, darunter auch ihr Sohn Hans Jürgen, festgenommen hatte, versuchte sie gemeinsam mit ihrer Schwiegertochter die Verwaltung der Güter aufrecht zu erhalten und das Wohl von Familie und Dorfbewohnern zu sichern. Kurz vor Kriegsende besetzte die russische Armee ihr Gut, das Ruth von Kleist-Retzow jedoch unter Beobachtung weiterführen durfte. Nach einem Sturz wurde sie bettlägerig und starb darauf am 2. Oktober 1945. Am Tag der Beerdigung gab der russische Kommandant allen Arbeitern des Gutes zum ersten Mal seit sieben Monaten frei, da selbst er der Meinung war: Frau Kleist war eine großartige Dame.

Alles, wofür Ruth von Kleist-Retzow stand, alles, was sie unternahm, wurzelte in ihrem tiefen christlichen Glauben. Aus diesem bezog sie ihre Stärke, mit der sie ihr ganzes Leben meisterte. Durch ihre Überzeugungen und ihr Handeln wurde sie ein Vorbild für ihre Familie, ihre Freunde und ist es bis heute noch für nachfolgende Generationen.

Sophie Kitzmann studiert Kommunikationswissenschaft in Stuttgart.