Frauengleichstellungsarbeit in der ELKB mit Zukunft?
Von Juliane Brumberg
Im vergangenen Jahr hat die Frauengleichstellungsstelle (fgs) der Evangelischen Kirche in Bayern (ELKB) auf ihr 25jähriges Bestehen zurückgeblickt, ohne dass das groß gewürdigt wurde. Anfang des Jahres war das Anlass für Rosemarie Eisen und Juliane Brumberg sich mit dem Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm zu einem Gespräch über Fragen der Frauengleichstellungsarbeit zu treffen.
Auf der EKD-Synode in Dresden, auf der Sie zum Ratsvorsitzenden gewählt wurden, gab es mit dem Gleichstellungsatlas auch eine Eingabe zur Geschlechtergerechtigkeit in der EKD. Was wird in der Bayerischen Landeskirche vorrangig geschehen?
Der Geschlechteratlas ist sehr interessant, weil er empirische Daten zeigt im Hinblick auf die Gleichstellung von Frauen und Männern. Ich glaube, dass dieser Atlas Anlass sein muss, dass man möglichst tief bohrt und die Ursachen dafür erkundet, warum Frauen nicht in der gleichen Anzahl in Führungspositionen sind, wie Männer.
Für unsere Landeskirche habe ich das überraschende Ergebnis bekommen, dass Frauen 50 Prozent mehr Chancen haben, das Dekansamt übertragen zu bekommen, wenn sie sich bewerben. Es liegt also nicht an der Undurchlässigkeit patriarchaler Strukturen im Bewerbungsverfahren, sondern es liegt daran, dass nicht genügend Frauen sich auf die Dekansstellen bewerben. Was muss geschehen, damit sich mehr Frauen bewerben? Wie muss die Aufgabenbeschreibung des Amtes so verändert werden, dass auch Frauen dieses Amt attraktiv finden. Das ist eine konkrete Konsequenz des Tiefer-Bohrens.
Die kirchliche Frauengleichstellungsstelle in Bayern ist seit ihrer Gründung vor 25 Jahren personell sehr ausgedünnt worden. Von vier Akademikerinnen ist nur noch eine übrig geblieben und es gibt dort schon lange keine Theologin mehr. Wie könnte die Arbeit der fgs in Zukunft gestärkt werden?
Ich glaube, dass auch hier sehr deutlich wird, dass Frauengleichstellung etwas ist, was die ganze Arbeit in der Kirche betrifft und nicht nur Aufgabe einer bestimmten Stelle ist. Bei der Weiterentwicklung der Konzeption unserer Frauengleichstellungsarbeit müssen wir genau hinschauen, welche Funktion diese Frauengleichstellungsstelle haben kann, wie sie vielleicht noch besser mit all denen zusammenarbeiten kann, die vielleicht ohne das Etikett Frauengleichstellung im Prinzip an der gleichen Sache arbeiten.
Die Dekanatsfrauenbeauftragten waren über den unmittelbaren fgs-Kontakt lange das Bindeglied zwischen der Kirchenleitung in München und der Frauen-Basis. Laut Synodenbeschluss vom Herbst 2011 und Frühjahr 2012 sind diese nun beim Frauenwerk Stein angesiedelt. Wie wird in Zukunft die Kirchenleitung mit den Anliegen der Frauen von der Basis verbunden sein?
Die Anliegen der Frauen von der Basis kommen dadurch in der Kirchenleitung an, weil viele Frauen als Synodale tätig sind und die Anliegen der Gemeinden und der Menschen, die an der Basis arbeiten, bei den kirchenpolitischen Diskussionen in die Leitungsebene einbringen. Ich nehme wahr, dass sich die Bedürfnisse der Frauen in unserer Kirche verändert haben und für manche Frauen die klassische Frauenarbeit nicht mehr der Ort ist, an dem sie ihre frauenpolitischen Anliegen vertreten. Ich denke, die Frauen in unserer Kirche müssen selbst zum Ausdruck bringen, in welchen Formen für sie die Gleichstellung von Frauen am besten vorangetrieben werden kann.
Ziel von Frauengleichstellungsarbeit ist ja nicht, den Frauen etwas Gutes zu tun, sondern die Institution Kirche dadurch zu stärken, dass die Sichtweisen von Frauen präsent sind. Wie kann verhindert werden, dass Pfarrerinnen sich dem herkömmlichen männlichen Stil anpassen müssen sondern ureigene weibliche Anliegen sichtbar machen können?
Das ist eine wichtige Frage. Aus meiner Sicht ist die Antwort aber ganz einfach: Beteiligung. Frauen müssen, ebenso wie Männer, beteiligt sein an den Suchprozessen im Hinblick auf das zukünftige Bild unserer Kirche. Wir haben einen großen Prozess zum Pfarrerbild angestoßen. Dabei spielt es eine wichtige Rolle, was unser Bild von diesem Beruf ist. Da müssen Frauen wie Männer ihre Sichten und ihre Visionen und Wünsche für dieses Amt einbringen, aber auch für die anderen Ämter der Kirche, dazu gehört auch das Ehrenamt.
Die Beschlüsse der Synode von Bad Krozingen zur Gemeinschaft von Frauen und Männern in der Kirche haben einen Kulturwandel innerhalb der EKD in Gang gebracht. Daran und an deren Umsetzung haben viele Frauen mitgewirkt, die jetzt aus Altersgründen nicht mehr aktiv präsent sind. Wie sehen Sie die Gefahr, dass das Erreichte, insbesondere auch im feministisch-theologischen Bereich, wieder verloren geht? Wie könnte die ELKB dem entgegenwirken?
Also ich denke, dass zunächst mal Erinnerung ein wichtiges Element ist. Deswegen war der Stand der Frauengleichstellungsarbeit bei der EKD-Synode wichtig. Viele junge Menschen wissen überhaupt nicht, wie wenig selbstverständlich bestimmte Dinge sind, die heute als normal gelten, und wie sehr das von Frauen damals erkämpft werden musste, z.B. die Frauenordination in den siebziger Jahren. Das ist heute für mich fast nicht zu glauben. Kein Mensch kann sich heute eine Kirche ohne Pfarrerinnen vorstellen. Ich wüsste niemanden, der sie sich wieder weg wünscht. Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass das damals ein harter Kampf war. Das bewahrt davor, bestimmte Dinge für zu selbstverständlich zunehmen. Auch bei der Feministischen Theologie ist es so, dass bestimmte Dinge, die zu meiner Studienzeit neu, revolutionär, waren, heute selbstverständlich sind für gute Theologie.
Darf ich da noch einmal nachhaken: Finden Sie Erinnerungsarbeit wichtig und wird die auch gefördert in der ELKB?
Ja, auf jeden Fall.
Aber dafür braucht man dann eine gut ausgestattete Frauengleichstellungsstelle? Das ist eben jetzt genau die Frage, in welchen Formen das am besten gefördert werden kann: durch eine Verdoppelung der Kapazität der Frauengleichstellungsstelle oder dadurch, dass bestimmte Prozesse sehr aufmerksam reflektiert werden, z. B. bei der Besetzung von Dekansämtern. Es muss in den Prozessen selbst verwurzelt werden. Die Frage, welche Stellen es geben muss, die das mit dem Etikett Frauengleichstellung tun, das ist noch einmal eine zweite Frage. Die muss diskutiert werden.
Die Feministische Theologie hat seit den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts vielen Frauen zu einem völlig neuen Zugang zu ihrer Religiosität und zu der bis dahin eher konservativen evangelischen Kirche verholfen. Wie tauchen die Erkenntnisse aus der Feministischen Theologie in der sonntäglichen Verkündigung auf?
Zum Beispiel darin, dass wir sehr kontextbewusst über das Thema Sünde predigen. Sünde, darauf hat die feministische Theologie in den achtziger Jahren schon hingewiesen, Sünde ist klassischerweise immer mit dem Stichwort Selbstzentriertheit und Stolz versehen worden. Darin ist eine männliche Perspektive zum Ausdruck gekommen. Feministische Theologinnen haben darauf hingewiesen, dass auch mangelnde Selbstliebe Sünde sein kann, weil man sich dadurch von den Lebensquellen Gottes abschneidet. Also nicht Zurückhaltung in der Selbstliebe, sondern Selbstliebe ist die Überwindung von Sünde. Das sind bestimmte Zusammenhänge, die heute selbstverständlich sind, die damals aber ganz neu waren.
Die Bibel in gerechter Sprache, ein Projekt aus der kirchlichen Basis, ist inzwischen 90000 Mal verkauft. Wie verwenden Sie sie für Ihre Gottesdienste?
Ich feiere normalerweise in Gemeinden vor Ort Gottesdienst und die Liturgie der Festgottesdienste, in denen ich predige, wird sehr von diesen geprägt und dabei spielt die Lutherbibel in der Regel die zentrale Rolle, gerade bei Festgottesdiensten, wo vielleicht auch ein bisschen die lutherische Tradition hochgehalten wird.
Das heißt also, sie selber verwenden die Bibel in gerechter Sprache eher weniger?
Ich benutze sie ab und zu, um Übersetzungen nachzuschauen, also um zu sehen, wie übersetzt die Bibel in gerechter Sprache eine bestimmte Passage.
Sie sind ja bekannt dafür, viel auf Facebook unterwegs zu sein. Haben Sie schon einmal etwas zur Frauengleichstellung in der ELKB gepostet oder könnten Sie sich vorstellen, das in Zukunft zu tun? Vielleicht auch einmal zur Feministischen Theologie oder zur Bibel in gerechter Sprache?
Implizit kommt so was immer wieder vor, explizit hängt das vom Anlass ab. Immer dann, wenn ich mit bestimmten Dingen in meiner Arbeit konfrontiert bin, poste ich auch was. Wir könnten zum Beispiel ein Foto machen und ich poste dann über unser Gespräch.
Herzlichen Dank für das Gespräch und Ihre Zeit.
Das Gespräch mit dem Landesbischof führten Juliane Brumberg und Rosemarie Eisen.