Gärtnern in der Stadt
Von Maria Börgermann-Kreckl
Seit der zweiten Frauenbewegung befassen sich Wissenschaftlerinnen, Gärtnerinnen und Aktivistinnen verstärkt mit Fragen nach einem guten Leben für alle. Sie beschäftigen sich mit Themen der Subsistenz, der Eigenarbeit, mit regionaler Kreislaufwirtschaft und einer gesunden, ausreichenden Ernährung aller Menschen auf diesem Planeten.
Mit dem Buch "Urban Gardening", herausgegeben von Christa Müller, gibt es dazu eine überblickhafte Darstellung der verschiedenen Aspekte - von einer kritischen Betrachtung unserer Wachstumsökonomie bis hin zu möglichen spirituellen Erfahrungen - einer neuen Gartenbewegung. Regionale, nationale und internationale Beispiele zeigen, wie kreative Selbstversorgung und Selbermachen stattfinden kann und wie städtischer Lebensraum zur neuen Begegnungsmöglichkeit mit der Natur, den Nachbarn und der für Stadtplanung zuständigen Kommunalpolitik wird.
Schon länger beobachtet die efi-Redakteurin, wie in einem Teil des Petuelparks in München Frauen, Männer, ja ganze Familien aus unterschiedlichen Kulturkreisen im Interkulturellen Garten Parzellen bewirtschaften - häufig abends nach der Erwerbsarbeit. Wie in ihren Heimatländern versorgen die Frauen ihre Familien mit den Erträgen aus den Gärten, geben sich Tipps, tauschen miteinander und praktizieren bei den gemeinsam veranstalteten Festen gelebte Integration.
Wenn öffentliche Flächen als Brachland ungepflegt bleiben, bemühen sich Interessierte um Übernahme von Grünpartnerschaften für eine zeitlich fest vereinbarte Zeit in Form eines Pflegevertrages. Eine Freundin plant so etwas gerade auf einem kleinen Streifen vor ihrer Haustüre, der bisher mit Zigarettenkippen gepflastert wurde. Sie eignet sich dazu Wissen über spezielle Pflanzen an, die hier im Schatten und in der Nachbarschaft zu bestimmten Gehölzen wachsen können und nimmt Kontakt zu ihren Nachbarn und der Stadtplanung auf. An anderen geeigneten Stellen werden zwischen Autos und Parkbuchten außer Blumen und Stauden Obstbäume gepflanzt oder Nutzpflanzen wie Erdbeeren, Gemüse oder Kartoffeln angebaut und geerntet.
Aus Brache wird Gartenland
Im Prinzessinnengarten in Berlin entwickelte sich eine ehemalige Brachfläche, zu einer blühenden Oase in der Großstadt. Hier wird jeweils saisonal orientiert Gemüse gezogen und neue, oder vielmehr alte, vergessene Sorten werden wiederbelebt. Im Gegensatz zur Wegwerfmentalität säen die Stadtbewohner und Gärtnerinnen ökologisch kreativ in abgeschnittenen Tetrapacks, pikieren und pflanzen, um später zu ernten und zu verkaufen. Sie machen auf diese Weise vielfältige Erfahrungen mit den Pflanzen, bestimmten Böden, naturverträglichem Dünger, mit der Wirtschaftlichkeit, bezahlbaren Preisen und der besonderen Wertschätzung dieser selbst gezogenen Produkte. Besonders wichtig ist jedoch, etwas zu tun und die Hacke oder die Gießkanne selber in die Hand zu nehmen.
Die Ideen zum städtischen Gärtnern verbreiten sich Länder und Systeme übergreifend. So nutzen manche Projekte Anregungen und Erfahrungen aus Kuba. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks erlebte das kommunistische Land einen Einbruch der Lieferungen von außen und war gezwungen, Strukturen zur Unterstützung der regionalen Versorgung mit Eigenarbeit und Kreislaufwirtschaft aufzubauen.
Für einen neu geplanten Stadtteil in München-Freiham, in dem zukünftig mehr als 20 000 Menschen leben werden, gibt es schon jetzt eine Initiative, die sich darum bemüht, landwirtschaftliche Flächen für die eigene Versorgung der Bewohner mit regionalen, ökologisch unbedenklichen und bezahlbaren Produkten vorzusehen.
Die kreativen Ideen der Urban Gardening-Bewegung vermitteln Hoffnungen auf eine Weiterentwicklung einer regionalen stadtnahen Landwirtschaft. Hier gilt es anzuknüpfen, den Rücken krumm zu machen, Müll aufzuheben, Unkraut zu jäten, zu düngen und zu wässern, um später mal eine Himbeere zu ernten.