Evangelischer Presseverband für Bayern e.V.

Heiraten um der Ordnung willen

Heft 3/2011 HochZeiten

Von Ines Rein-Brandenburg

 

Seit wann Menschen heiraten, liegt im Dunkel der Geschichte. Sicher ist jedoch: die Erfindung der Ehe hatte ganz pragmatische Gründe: sie ordnete das Sozialleben und war gut für das Gedeihen der Kinder.

Romantische Liebe spielte beim Heiraten in den vergangenen Jahrhunderten und in den meisten Kulturen nur eine untergeordnete Rolle. Auch in der westlichen Welt, in der die Ehe nach der Aufklärung des 18. Jahrhunderts einen starken Wandel erfuhr, blieb diese Lebensform bis weit ins 19. Jahrhundert hinein eine hauptsächlich ökonomische Angelegenheit. Der Ehemann zog daraus den größeren Nutzen, denn er wurde 'Oberhaupt der Familie', besaß wesentlich mehr Rechte und kontrollierte den Besitz seiner Frau. Außerdem gestand ihm die herrschende Doppelmoral erhebliche sexuelle Freiheiten zu. Allerdings regelten die Eheordnungen vieler Kulturen auch die Rechte der Ehefrau und sicherten sie ab. In der jüdischen Tradition ist beispielsweise seit dem 9. Jahrhundert ein Ehevertrag, genannt Ketuba, Bestandteil der Trauung. In diesem Vertrag verpflichtet sich der Ehemann, seine Frau zu ehren, für ihre Kleidung zu sorgen, sie zu ernähren, aber auch ihre sexuellen Bedürfnisse zu beachten und zu befriedigen - eine Art Beischlafverpflichtung. Kommt er einem dieser Punkte während der Ehe schuldhaft nicht nach, stellt das nach den jüdischen religiösen Statuten einen Scheidungsgrund dar. Dieser Ehevertrag regelt auch die finanzielle Versorgung der Frau nach dem Tod des Ehemannes.

Der Versorgungsgedanke ist heute nicht mehr so wichtig wie in vergangenen Zeiten, allerdings auch nicht ganz unwichtig. Absicherung ist nach wie vor ein elementares Bedürfnis und umfasst nicht nur das Ökonomische, sondern auch den gesellschaftlichen Status und das öffentliche Auftreten.

Bei den frühen Menschen

'Hîwa', das alte germanische Wort für 'Heirat', bedeutete so viel wie: Hausstand, Hausgemeinschaft. Die 'Ehe' entstammt dem alt- oder mittelhochdeutschen "ewe" oder "ewa", dem "Gesetz". Die Ehe ist also eine Gemeinschaft, die einem Gesetz, bestimmten Regeln folgt.

Evolutionsforscher vermuten, dass am Anfang der Menschheit die Promiskuität, die ungeregelte Partnerwahl, herrschte. Langsam bildete sich die Gruppenehe heraus, dann die Polygamie, die Vielehe. Aus der Forschung über Matriarchate wissen wir von der hier praktizierten Besuchsehe. Das bedeutete: Die Frau blieb in ihrer mütterlichen Sippe und empfing Liebhaber nach ihrer Wahl. Als Väter ihrer Kinder spielten diese keine Rolle, männliche Bezugspersonen waren die Brüder der Mutter.

Mittlerweile hat sich fast auf der ganzen Welt die Monogamie, die Einehe, durchgesetzt. Die Heirat war und ist immer ein öffentlicher Akt, auch bei einfachen Familien, und mit einer Feier verbunden, die die Verwandten, das Dorf, die Gemeinschaft einbezog.

Bis ins 20. Jahrhundert gab es allerdings auch Heiratsbeschränkungen. Zum Beispiel waren städtische Bürgerrechte oder Hofbesitz Voraussetzung für eine Eheschließung. Die folge dieser Restriktionen waren unter anderem uneheliche Kinder.

Bei den alten Griechen

Im Griechenland der Antike wurde die Ehe als fundamentale soziale Einrichtung betrachtet und hob vor allem den Status des Mannes. Der Gesetzgeber Solon erwog sogar, eine Ehepflicht einzuführen. In Athen wurden unter Perikles unverheiratete Männer von wichtigen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. In Sparta, wo man sexuelle Beziehungen zwischen Männern durchaus förderte, bestand man dennoch darauf, dass sie heirateten und Kinder zeugten. Ledige und kinderlose Männer wurden verachtet. Frauen, die zur Unterordnung erzogen wurden und politisch rechtlos waren, sollten vor allem Kinder gebären und den Haushalt versorgen, während sich der Mann öffentlichen Angelegenheiten zuwandte. Im alten Griechenland heirateten Männer in der Regel mit Anfang Dreißig eine Frau, die unter zwanzig Jahre alt war. Nach dem Redner Demosthenes zum Verhältnis der Geschlechter: "Zu unserem Vergnügen haben wir Hetären, Konkubinen für die Gesundheit und Ehefrauen, damit sie uns rechtmäßige Nachkommen gebären." Ein Vater arrangierte die vorteilhafteste Ehe für seinen Sohn und ließ den Vertrag dann vor Zeugen unterzeichnen. Kurz danach hielt man eine Hochzeitsfeier ab und begleitete anschließend das junge Paar, das sich womöglich nie zuvor gesehen hatte, in das Ehebett. Dass es selbstständige junge Frauen der heutigen Zeit als besonders romantisch ansehen, sich von ihrem Vater an den Traualtar führen und dem Bräutigam übergeben zu lassen, ignoriert den patriarchalen Ursprung dieser Geste.

Europa im Mittelalter

In Europa gab es bis ins frühe Mittelalter verschiedene Eheformen. Zum einen die Muntehe, bei der die Frau aus dem Schutz ihrer Sippe in den Schutz des Ehemannes wechselte - ohne selbst darüber zu entscheiden. Der Bräutigam zahlte dafür den Muntschatz, zunächst eine 'Gegenleistung', die an die Sippe der Frau ging, später eine Art Witwenversicherung zu Gunsten der Frau. Die Höhe des Geldbetrags lässt darauf schließen, dass die Muntehe vor allem den reicheren Familien der Oberschicht vorbehalten war.

Die Friedelehe wurde mit weniger Aufwand geschlossen, war weniger bindend und bot der Braut damit auch weniger Absicherung. Sie setzte allerdings die Zustimmung beider Seiten voraus und erlaubte so auch der Frau eine Mitentscheidung.

Außerdem gab es die 'Kebsehe' zwischen einem Freien und einer Unfreien. Das Wort 'Kebse' bedeutet Sklavin oder Dienerin. Der Mann konnte, da die Frau quasi sein Besitz war, seine Mägde jederzeit zum Geschlechtsverkehr zwingen oder auch heiraten.

Diese willkürlichen Eheformen und ähnliche Auswüchse, bei denen Familien schon zwischen Kindern Verbindungen arrangierten und wieder trennten, riefen die Kirche auf den Plan. Sie hatte bis zum frühen 13. Jahrhundert ein eigenes Eherecht entwickelt, nach dem nun die Trauung zu einer kirchlichen Angelegenheit wurde. Im Jahr 1225 beschloss das Vierte Laterankonzil, dass Trauungen nur noch von einem Priester vorgenommen werden durften.

Die Ehe ist ein weltlich' Ding

Der Reformator Martin Luther durchbrach die Hochzeits-Hoheit der Kirche. "Es kann ja niemand leugnen, dass die Ehe ein äußerlich, weltlich Ding ist, wie Kleider und Speise, Haus und Hof weltlicher Oberheit unterworfen", postulierte er 1530 in seiner Schrift 'Von Ehesachen'. Die weltlichen Autoritäten sollten die Eheschließung übernehmen und rechtlich regeln. Trotzdem wurde auch in protestantischen Ländern die kirchliche Trauung zur Pflicht - Gewohnheitsrechte gibt man nicht auf.

Die katholische Kirche beschloss im Gegenzug 1563 auf dem Konzil von Trient, dass eine wirksame Ehe nur in Anwesenheit eines Priesters und zweier Zeugen zustande kommen dürfe. Die Kirchen unterschieden sich folglich in ihrem Eheverständnis. Für die katholische Kirche gilt die Ehe als Sakrament - ist also kein Vertrag, sondern eine göttliche Einrichtung - für die protestantische nicht. Das führte zu Problemen bei religiösen Minderheiten oder konfessionsverschiedenen Ehen.

Die Französische Revolution brach schließlich mit der Vormacht der Kirche. 1792 wurde die Ehe als Ziviltrauung zunächst in Frankreich festgeschrieben. Nach und nach wurde dies auch in den Gebieten eingeführt. Geistlichen wurde verboten, vor der zivilrechtlichen die kirchliche Trauung vorzunehmen. 1848 setzte sich dies im Zuge der Frankfurter Nationalversammlung auch in Deutschland durch.

Privilegien und der Gleichheitsgrundsatz

Das Bürgerliche Gesetzbuch BGB, das 1900 in Kraft trat, beinhaltete das gesamte Familienrecht als Bestandteil des Privatrechts. Die umfangreichen Privilegien, die es dem Mann zubilligte, blieben teilweise Jahrzehnte in Kraft. So hatte beispielsweise nach § 1354 BGB alter Fassung der Mann absolute Entscheidungsfreiheit über das gemeinschaftliche Familienleben, bis zur Ehereform 1977 hatte er die 'Elterliche Gewalt' über die Kinder. 'Uneheliche' Kinder trugen ihr Leben lang den 'Makel' ihrer Geburt, jede verwandtschaftliche Beziehung zu ihrem Vater wurde bis 1969 geleugnet.

Nach dem Dritten Reich wurde das BGB in der Bundesrepublik an das neue Grundgesetz angepasst. Frauen, genannt die 'Mütter des Grundgesetzes' ist es zu verdanken, dass der Gleichberechtigungsgrundsatz dort verankert ist. In der Folge wurde 1958 die Vorherrschaft des Ehemannes außer Kraft gesetzt, allerdings noch mit Einschränkungen. Frauen, so hieß es fortan in § 1356 des BGB, sind berechtigt, erwerbstätig zu sein, "soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist". Erst mit der Eherechtsreform 1977 wurde die gesetzlich sanktionierte Hausfrauenehe abgeschafft und bei Scheidung das Schuldprinzip durch das Zerrüttungsprinzip ersetzt.

Mit der Deutschen Vereinigung 1990 wurde das DDR-Recht, das zum Teil mehr Gleichstellung von Frauen und Männern enthielt, praktisch über Nacht komplett durch BRD-Recht abgelöst. Jüngste Anpassungen an den gesellschaftlichen Wandel sind die Änderung des Namensrechts 1991, die Reform des Kindschaftsrechts 1997/1998 zu Gunsten nicht-ehelicher Kinder, und schließlich 2001 das 'Lebenspartnerschaftsgesetz' für gleichgeschlechtliche Partnerschaften.