Evangelischer Presseverband für Bayern e.V.

Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten, weitergehen

 

Heft 2/2015 Schöne Königin

Von Ines Rein-Brandenburg

 

Kein Leben ohne Schrammen und Niederlagen: Schon das kleine Kind stolpert und fällt, bekommt das heiß ersehnte Geburtstagsgeschenk nicht, lernt hart für die Mathearbeit und bekommt doch nur eine vier. Und das Leben hat noch Schlimmeres parat: den Tod naher Familienangehöriger, Gewalterfahrung, eine lebensbedrohliche Krankheit, einen schweren Unfall, Arbeitslosigkeit und finanziellen Ruin. Manche Menschen zerbrechen daran. Manche rappeln sich wieder auf. Warum?

Was Fachleute als ‚Resilienz‘ bezeichnen, die Fähigkeit, traumatische Krisen zu bewältigen, habe "viel mit der spezifischen Persönlichkeit zu tun", sagt die Psychotherapeutin Lara Pietzko. Dabei sind ein "sonniges Gemüt" oder eine "starke Persönlichkeit" auch, aber nicht allein angeboren. Biografische Erfahrungen spielen eine große Rolle: Hat jemand Eltern, Großeltern oder andere Bezugspersonen als Vorbilder mit einem "gesunden Optimismus" erlebt? Hat jemand erfahren, selbst Einfluss auf sein Geschick nehmen zu können? Hat jemand gelernt, sich Rat und Hilfe zu organisieren, um Unterstützung zu bitten, Freunde, Vertraute, Mitstreiter zu finden? Gibt etwas Sinn und Halt im Leben, zum Beispiel Glauben und Religion? Wer solche Kraftquellen erschließen kann, gewinnt Selbstvertrauen, erfährt Selbstwirksamkeit und Gestaltungsfähigkeit. Wer dies nicht schafft, gerät in eine ‚Opferfalle‘:

Wenn es nur noch abwärts geht

Dann dominiert das Gefühl, schwach, hilflos und abhängig zu sein. Das negative Ereignis wird "depressiv verarbeitet", wie es Pietzko nennt: Es scheint nur noch abwärts zu gehen. Das Selbstvertrauen ist im Keller. Der Zugang zu den helfenden Ressourcen, zu den Kraftquellen ist verschüttet. "Das Problem ist nicht das Problem, sondern dass wir keine Distanz mehr dazu haben", erläutert Pietzko. Um selbst im Gleichgewicht zu bleiben und zu spüren, was stimmig ist und was gerade festhängt, hilft der Therapeutin Meditation.

Nach dem Modell des Psychologen Hilarion Petzold stützt sich die Identität, die Persönlichkeit, auf fünf Säulen: die Gesundheit und Kraft des Körpers, die Erfüllung und Bestätigung aus eigener Tätigkeit, die sozial Verankerung, materielle Sicherheit und die Wert-/Sinngebung. Es lässt sich leicht bildlich vorstellen: So lange drei oder vier dieser Säulen tragfähig bleiben, kann es ein Mensch kompensieren, wenn eine dieser Säulen angeknackst ist. Je mehr ins Wanken geraten, umso schwieriger wird es, die seelische Balance zu halten.

Lara Pietzko leitet den Fachbereich Kreativtherapie an den Heiligenfeld-Kliniken in Bad Kissingen. Dorthin kommen Menschen, die nicht aus eigener Kraft aus einer Krise herausfinden. In einer Therapie lernen und üben sie neue Ansätze, mit dem Auf und Ab ihres Lebens zurechtzukommen. Manche stereotype Rollenvorstellungen stimmen durchaus: Frauen können oft besser über ihre Gefühle reden, Männern fällt es oft schwerer, Niederlagen einzugestehen. Aber die Therapeutin erlebt auch immer mehr Männer mit Zugang zu den eigenen Gefühlen und Frauen mit dem Selbstbild von Stärke und Unabhängigkeit.

Wirklich offen sprechen

Für manche ihrer Patienten ist der Perspektivenwechsel von der Außen- zur Innenwahrnehmung etwas ganz Neues: sich zu erlauben, auf die innere Stimme zu hören, Gefühlen Raum zu lassen. In der modernen Welt verlerne man leicht, sich selbst zu spüren. Alle Antennen sind nach außen gerichtet, um gemocht zu werden, dazuzugehören, erfolgreich zu sein. Die Beziehung zur eigenen Innenwelt geht leicht verloren. Und häufig sind auch die Beziehungen zu Freundinnen und Freunden, in der Familie, oberflächlich geworden. Oft sind auch die Bezugspersonen im Stress, die Gespräche drehen sich ums Wetter, Konsum oder Leistung. Tiefgründige Begegnung muss vielfach neu erlernt werden. Dabei hilft gerade das vertrauensvolle Gespräch mit anderen Menschen, auf Ideen zu kommen und Lösungswege aus Krisen zu finden. Die Psychotherapeutin macht Mut: "Je mehr ich selbst bereit bin, offen zu sprechen, gebe ich auch anderen die Erlaubnis, offen zu sein."