Ihr Herzensanliegen ist Gerechtigkeit
Heft 4/2012 frei-willig
Von Juliane Brumberg
Wenn etwas ungerecht wird ist Beatrice von Weizsäcker zur Stelle. "Frauenthemen interessieren mich, doch ein Herzensanliegen werden sie erst, wenn es um Ungerechtigkeiten geht." Ungerecht ist es, wenn das, was Frauen geleistet haben, in der (Kirchen-) Geschichte nicht auftaucht, unsichtbar bleibt und dadurch ignoriert wird. So musste die zugereiste Münchnerin Beatrice von Weizsäcker nicht lange überlegen, als sie gebeten wurde, die Schirmherrschaft zum dritten Argula-von-Grumbach-Preis zu übernehmen: "Ich hatte noch nie etwas von Argula von Grumbach gehört. Das Mutige an ihr weckte sogleich mein Interesse. Es nötigt mir Respekt ab".
Wer ist nun die Frau, die im nächsten Frühjahr gemeinsam mit den anderen Jurorinnen (hoffentlich viele!) frauengeschichtliche Arbeiten zum Thema 'Frauen verändern Kirche - Reform und Reformationen' lesen wird? Aufgewachsen als einziges Mädel zwischen drei Brüdern - Schulzeit in den 60er und 70er Jahren in Ingelheim und Bonn, Jura-Studium in Hamburg, München und Göttingen, Referendarzeit in der norddeutschen Kleinstadt Lüneburg - hat sich die junge Frau mit dem prominenten Nachnamen in den 80er Jahren aufgemacht, ihre "ganz eigenen Aufgaben zu finden". Dass ihr Vater Bundespräsident war, hat ihren beruflichen Alltag kaum berührt, denn zu diesem Zeitpunkt (1984-1994) war sie erwachsen und sammelte längst eigene politische Erfahrungen, zunächst in Bonn.
Politisch ohne Politik
"Schon vor der Wende gab es Städtepartnerschaften zwischen Ost- und Westdeutschland. Die sollte ich damals für das Bundeskanzleramt beobachten. So entstand das Thema meiner Doktorarbeit. Als sie fast fertig war, fiel die Mauer. Und meine Dissertation bekam eine zusätzliche neue Richtung. Sie wurde viel lebendiger, weil nun auch die bis dahin kaum möglichen praktischen Erfahrungen der verschwisterten Städte einflossen."
Der Promotion folgten zehn aufregende, aber auch anstrengende Jahre mit vielen Spätschichten als politische Redakteurin beim Berliner Tagesspiegel, bevor wieder eine neue Aufgabe auf sie zukam: die Stiftung 'Erinnerung - Verantwortung - Zukunft' zu Gunsten von ehemaligen ZwangsarbeiterInnen und andern Opfern des Nationalsozialismus. Es galt, die Stiftung in einem kleinen Team rasch aufzubauen, mit Opferverbänden zu sprechen, zu Betroffenen Kontakt aufzunehmen und "uns durch möglichst schnelle und sichere Auszahlungen an die Überlebenden so bald wie möglich wieder überflüssig zu machen".
Über diese Tätigkeit kam Beatrice von Weizsäcker mit Hildegard Hamm-Brücher in Verbindung, die eine Autorin für die Chronik der Theodor-Heuss-Stiftung suchte. "So bin ich 2003 nach München gezogen und habe mit ihr ein Buch geschrieben". Der stellvertretende Vorsitz dieser Stiftung sowie weitere Bücher sollten folgen. Die Titel: 'Warum ich mich nicht für Politik interessiere...' 2009 und 2010 'Die Unvollendete. Deutschland zwischen Einheit und Zweiheit'.
Zweiflerisch, nicht ohne Hoffnung
Im Oktober wird ein weiteres Buch der Juristin und Publizistin erscheinen. Ihr Horizont hat sich noch mal geweitet. Es geht nun um Glauben und Zweifel. Der Titel ist eine Frage und lautet: 'Ist da jemand? Gott und meine Zweifel'. Im Zentrum stehen Fragen nach dem Leben und dem Tod, nach Zweifel und Verzweiflung, aber auch über die Hoffnung auf das, was man nicht sieht.
Und wie steht nun die Schirmherrin einer kirchennahen Stiftung zur Institution Kirche? "Eine Kirche, die mir vorschreibt, was ich glauben muss, wäre nichts für mich." Ihre christliche Heimat liegt darum weniger in einer Kirchengemeinde, als vielmehr beim Kirchentag. "Dort finde ich Offenheit." Seit etlichen Jahren engagiert sie sich in verschiedenen Gremien des Deutschen Evangelischen Kirchentags, ist seit 2009 Mitglied des Präsidiums und hat auch schon Bibelarbeiten auf Kirchentagen gehalten. "Das war für mich als Nichttheologin eine große Herausforderung. Aber ich merke, gerade mit meinen Zweifeln finde ich Resonanz."
Der Kirchentag ist für die jugendliche Mittfünfzigerin nicht nur religiös und politisch bedeutsam, er macht ihr auch Spaß. "Ich habe das Glück, dass das, was mir Spaß macht, mein Beruf ist. Durch meine Ehrenämter beim Kirchentag und der Heuss-Stiftung bekomme ich Ideen für meine Bücher und beim Schreiben Einfälle für Projekte wie den Kirchentag. Alles befruchtet sich gegenseitig". So sieht sie jetzt auch ihre (ehrenamtliche) Aufgabe als Schirmherrin des Argula-von-Grumbach-Preises. "Ich freue mich auf die neuen Themenfelder, die ich dadurch kennenlerne. Mir gefällt der Preis, weil er nicht protzig daherkommt und kein Getöse macht. Der Preis hat eine zurückhaltende, aber deutliche Ausstrahlung. Das liegt mir. Ich kämpfe gern für eine Sache, aber das Kämpferische an sich ist nichts für mich."