Jugendstil - Frauen als florales Ornament
von Tiziana Beyer
Die Darstellung von Frauen und Blumen ist in der abendländischen Malerei seit Jahrhunderten ein beliebtes Thema. Fast hinter jeder Blume steckt Symbolik, die ein enormes Spektrum an Gefühlen zum Ausdruck bringt. Dem Jugendstil kommt im Bezug auf die Darstellung von Blumen und Frauen eine besondere Rolle zu. Gerade in dieser Kunstepoche war die Verbindung von Frauen und Blumen gang und gäbe. Der Jugendstil - auch Art nouveau genannt - ist eine kunstgeschichtliche Epoche, die um 1900 begann. Typisch für diese Epoche waren dekorative Elemente wie geschwungene Linien und florale Ornamente. Ein besonders wichtiger Ausdruck war der Verzicht auf Symmetrie. Der Jugendstil war eine von zahlreichen Strömungen beeinflusste Bewegung. Lediglich die Abkehr vom vorhergehenden Historizismus, dessen Ziel die Nachahmung historisch überlieferter Formenbilder war, kennzeichnet alle Richtungen im Jugendstil. Der Jugendstil kann außerdem als individualisierende Antwort auf die kurz zuvor gewesene industrielle Revolution und dem damit verbundenen Aufkommen von mit Verzierungen überladener, rein industriell gefertigter Massenware verstanden werden.
Revolutionärer Durchbruch
Der tschechische Künstler Alfons Maria Mucha gilt als einer der hervorragendsten Repräsentanten des Jugendstils. Mucha war Plakatkünstler, Grafiker, Illustrator und Maler. Zum Durchbruch verhalf ihm die bekannteste Schauspielerin des Westens zur Zeit der Jahrhundertwende - Sarah Bernhardt. 1894 war diese auf der Suche nach einem Künstler für die Gestaltung ihrer Veranstaltungsplakate. Am Weihnachtsabend 1894, als Mucha in der Druckerei Champenois arbeitete, ging die Nachricht ein, dass Sarah Bernhardt von den neuesten Plakatentwürfen sehr enttäuscht sei. Alfons Mucha nahm die Herausforderung an und weniger als eine Woche später hingen seine Plakate in ganz Paris. Seine Plakate brachen mit allen Traditionen. Das Format war lang und schmal, er verwendete weiche Farben und setzte für die Hintergrundgestaltung dekorative Elemente sowie Blumen ein.
Dekorative Leichtigkeit
Alfons Mucha schuf mit seinem Plakat die ideale Frau des Jugendstils. Das Neue an Muchas Darstellung war, dass die Frau vollkommen von weichen Formen umspült wurde. Wichtigstes Element seines unverwechselbaren Stils war die Gestaltung der Haare - genannt Muchas Makkaroni. In dieser Manier wurde es im Jugendstil gängige Praxis, die Frau in rein dekorativen Elementen versinken zu lassen. Mucha nutze wirkungsvoll das Thema Femme-Fleur und stellte somit seine oft fast feenhaft wirkenden Frauen dar. Die Darstellung von Blumen und Ranken sowie Blumenmuster gehörten zum festen Bestandteil Muchas Darstellungen und Illustrationen im Jugendstil. Wenn man diese neue Art der Darstellung mit dem Stil des rund 80 Jahre früheren Biedermeiers vergleicht, zeigt sich eine enorme Entwicklung. Im Biedermeier wurde die Frau als Heimchen am Herd, Mutter und Beschützerin des Hauses dargestellt. Springen wir nun in die Ausklänge des Jugendstils, zeigt sich eine Revolutionierung des Bilds der Frau. In dieser Zeit - den wilden 20ern - löst sich die Darstellung der Frau aus den dekorativen Elementen des Jugendstils. Das Rollenbild der Frau entfernte sich gänzlich von dem des Biedermeiers, Frauen emanzipieren sich von der dichotomen Zuordnung Natur - Frau, Kultur - Mann. Frauen lassen sich die Haare kurz schneiden, rauchen Zigarette und tragen Männerhosen. Somit zeigt sich in diesen rund 100 Jahren eine radikale Wende der Darstellung sowie Rolle der Frau vom braven Biedermeier über den femininen und floralen sehr weiblichen Jugendstil bis hin zu den 20ern, in denen die Frau eher burschikos und selbstbewusst auftritt.
Tiziana Beyer aus Salzburg arbeitet freiberuflich als Journalistin.