Evangelischer Presseverband für Bayern e.V.

Liebeskummer als Chance

Heft 3/2012 Vom Reifen

Von Heidrun Hemme

 

Die Welt bleibt stehen, die Welt bricht zusammen, wenn ein so sehr geliebter Mensch sich aus der Beziehung verabschiedet. Oder gar ohne Abschied geht. Wenn der Freund, die Freundin sich einer anderen zuwendet. Und ich selber bleibe zurück. Abgeschrieben von dem, dem ich total vertraut habe. Alles aus. Vorbei. Nichts geht mehr.

Geht wirklich nichts mehr?

Anja, 17, Schülerin der 10. Realschulklasse sagt: "Das wirft eine erst mal aus der Bahn. Schließlich hat man sich ja seine nähere Zukunft mit ihm ausgemalt und jetzt hat das alles keinen Sinn mehr. Weil die Träume zerstört sind. Aber mit der Zeit verarbeitet man den Schmerz - und kann sich neue Ziele stecken. Also geht eigentlich schon was weiter. Vielleicht sogar umso besser, denn daraus kann man ja auch lernen und es das nächste Mal besser machen! Und wenn es dann klappt, ist das doch toll. Da bekommt man wieder neuen Mut, weil man eine Bestätigung bekommen hat."

Auch wenn sie noch keine konkreten Vorstellungen hat, was sie nach dem Realschulabschluss tun will und ob da ein Freund, ein Partner, eine Beziehung dazu gehört, so hat sie doch ein Ziel für ihr Leben.

Bäume brauchen Gegenwind

So ähnlich sieht es auch Karina. Sie ist 23, Mutter einer 6jährigen Tochter und Erzieherin im Anerkennungsjahr. Liebeskummer hat sie oft gehabt, sagt sie. Und vergleicht die Entwicklung ihres Lebens mit einer Situation, von der die sie einmal gelesen hat: "Da wollten vor 30 Jahren ungefähr in den USA ein Multimillionär und eine Gruppe von Forschern eine zweite Biosphäre schaffen. In einer Art überdimensioniertem Gewächshaus bildeten sie die Situation der Erde ab. Mit Wüsten und Urwäldern und besiedelten Stadtgebieten. Das Experiment, hier eine optimale Welt zu erschaffen, ging schief. Zum Beispiel gab es da Bäume, die nicht mehr richtig gewachsen sind - und das nur, weil sie keinen Gegenwind bekamen."

Tatsächlich ist Karinas Situation für dieses Ergebnis ein gutes Beispiel. Mit 16 schwanger, mit 17 Mutter einer Tochter. Der Vater des Mädchens, nur ein Jahr älter als Karina, lässt sich schon bald nicht mehr blicken. Weder kümmert er sich um seine Tochter noch zahlt er Unterhalt für sie. Trotz der schwierigen sozialen und emotionalen Situation: "Schließlich hab ich den Typ ja mal geliebt!" macht sie hochschwanger ihren zuvor verpassten Quali nach, erreicht auf der Kinderpflegeschule den Realschulabschluss und während ihre Tochter später den Kindergarten besucht, geht sie in die Fachakademie, macht Praktika und wird Erzieherin.

Ich schaff das auch ohne dich!

Anstrengend sei das schon gewesen, sagt sie. Und auch jetzt, so kurz vor dem Abschluss, ist es nicht einfach, immer alles unter einen Hut zu bringen. Die Ausbildung, die Arbeit mit behinderten Menschen, Kind und Haushalt und neue Partnerschaft.

"All der Kummer, der ganze Ärger wegen dem Geld, und dann alleine da zu stehen, Du fragst Dich, wie viel Schuld du selber hattest - aber am Schlimmsten ist es, dem Kerl hinterher zu gucken und zu sehen, wie der jetzt ohne Dich ganz locker sein Leben lebt. Aber dann dachte ich: Und ich schaff das auch ohne Dich!"

Ob sie diesen Erfolgsweg auch ohne die Schwierigkeiten gegangen wäre? Sie meint, dass das wie mit den Bäumen ist: "Manchmal braucht man etwas, an dem man sich abarbeiten kann. Das macht stark, wie im Fitness-Studio, das gibt Kräfte, die man dann wieder einsetzen kann. Du musst halt wissen, was Du willst. Wie will ich leben, was will ich einmal erreichen, das muss Dir klar sein." Aber ein Patentrezept sei das auch nicht. Karina hatte ihre Familie als Rückhalt, vier jüngere Geschwister, die gern mal als Babysitter eingesprungen sind, Eltern und vor allem auch Großeltern, die ihr immer den Rücken gestärkt haben. "Da kann man sich wirklich gut entwickeln - auch wenn ich auf den Liebeskummer eigentlich gut verzichten könnte!"