Müssen Frauen nackt sein, um ins Museum zu kommen?
Heft 4/2013 Musen und Museen
Von Juliane Brumberg
"Müssen Frauen nackt sein, um ins Museum zu kommen?" Mit dieser Frage lenkten 1985 Aktivistinnen die Aufmerksamkeit darauf, dass Museen zwar voll seien von "männlichen Projektionen, das weibliche Geschlecht betreffend", Frauen als handelnde Subjekte jedoch kaum zu finden seien.
Hat sich da nach 30 Jahren Frauenbewegung etwas geändert? Ja, es hat. Dr. Britta Buhlmann, die seit mehr als 15 Jahren das Museum Pfalzgraf in Kaiserslautern leitet, stellt fest: "Wir stellen immer Werke von Künstlerinnen aus, und zwar nicht weil sie von einer Frau kommen, sondern weil sie gut sind. Das finde ich selbstverständlich." Vor 20 Jahren allerdings, als sie auf einer früheren Stelle - zufällig - mehrere Ausstellungen hintereinander mit Werken von Frauen zeigte, wurde sie doch tatsächlich gefragt, ob sie nun ein Frauenhaus aufmachen wolle. "Doch es ist so: Wenn ich gute Arbeiten sehe, dann stelle ich sie aus und lasse mich nicht bremsen, egal, ob sie von einem Mann oder einer Frau kommen. Und wenn mal ein Jahr keine Ausstellung mit einer Künstlerin dabei ist, dann ist das Zufall".
In ihrem Museum, das zu den "mittleren" Museen zählt, arbeiten eine Museumsleiterin, drei Wissenschaftlerinnen, zwei Pädagoginnen, je ein Volontär und eine Volontärin sowie zwei Sekretärinnen. Nur in der Werkstatt reparieren und restaurieren vier Männer und der Leiter der graphischen Sammlung ist ein Mann. Damit ist das Pfalzgrafmuseum typisch für die Museumslandschaft in Deutschland. Kunstgeschichte ist ein überwiegend von Frauen gewähltes Studienfach und klickt man sich im Internet durch die mehr als 6000 Museen in Deutschland, dominieren die Frauen als Leiterinnen. Das bestätigt auch Dr. Hannelore-Kunz-Ott von der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern: "Bei den kleinen und mittleren Häusern überwiegen die Frauen in der Museumsleitung, nur bei den großen Museen, bei den Flaggschiffen in den großen Städten, da herrschen schon noch die Männer."
Frauen in kleinen Museen
Aufgabe von Hannelore Kunz-Ott ist es, die nichtstaatlichen, in der Regel also die kleinen, Museen, zu beraten. Wie kommen Frauen dort vor? "Wir haben Prüfsteine entwickelt für die Aspekte geschlechterspezifisch, interkulturell und interreligiös." Ausstellungen richten sich jedoch naturgemäß nach den vorhandenen Beständen. "Der Punkt ist, dass Objekte vor 100 Jahren noch nicht unter diesen Kriterien gesammelt wurden. Erst jetzt fängt man an, diese Maßstäbe auch beim Sammeln im Auge zu haben", erklärt die Museumsexpertin und bedauert gleichzeitig: "In der Wissenschaft ist das angekommen, in der Praxis noch nicht ganz".
Vielzahl von Museumstypen
Wenn in Politik, Medien und Öffentlichkeit die Rede von Museen ist, wird zumeist an große Kunstmuseen gedacht. Reine Kunstmuseen machen aber nur etwa 10 Prozent aller Museen aus. Über die Hälfte aller Museen sind kleine Einrichtungen mit weniger als 5.000 jährlichen Besuchen. Kennzeichnend für die heutige Museumslandschaft ist eine Vielzahl von Museumstypen, Größen und Trägerschaften. Und davon hängt auch die Besucherklientel ab. Ein Technikmuseum, wie etwa das Verkehrsmuseum in Nürnberg mit seinen Eisenbahnen zieht mehr Männer, ein Kunstmuseum dagegen eher die Frauen an.
Unterschiedliche Angebote
Es gibt keine nach Geschlecht erhobenen Besucherzahlen. "Gefühlt" sind die Frauen etwas in der Überzahl, doch "zu den Eröffnungen kommen immer viele Männer", so Britta Buhlmann aus Kaiserslautern. Mit zielgruppenspezifischen museumspädagogischen Angeboten lockt sie - ebenso wie viele andere Museen - unterschiedliche Bevölkerungsgruppen. "Wenn wir z.B. Kunst mit einer Weinprobe verbinden oder zu einer Ausstellung 'Kunst und Physik' einladen, kommen sehr viele Männer." Bei dem Motto 'art and taste' hingegen, bei dem es um Guglhupformen geht und zu dem in Kooperation mit einer Konditorei auch Rezepte erläutert und Kostproben angeboten werden, rechnet sie mit einer weiblichen Klientel.
Für ihre Überlegungen, "doch mal in einer Reihe Malerinnen vorzustellen, gab es allerdings Widerstand gegen eine 'Frauenecke', sowohl von weiblicher, als auch von männlicher Seite mit der Frage, 'Tut man Künstlerinnen einen Gefallen, wenn man sie über die Rubrik Geschlecht vorstellt, wir wollen sie doch nicht auf einer Insel haben' ". Die Diskussion ist nicht abgeschlossen, auch wenn Britta Buhlmann persönlich meint, dass man genauso, wie eine Reihe 'Technik im Museum' auch eine Serie von Ausstellungen mit Malerinnen zeigen könnte.
Frauen in Leitungspositionen selbstverständlich
"Museen genießen ein beachtliches Renommee: Jährlich besuchen etwa 100 Millionen Menschen die mehr als. 6.000 Museen in Deutschland. PR-Maßnahmen, neue Ausstellungsgestaltungen, Technikeinsatz und Museumspädagogik haben Schwellenängste abgebaut und neue Besucherschichten gewonnen", so der Deutsche Museumsbund in einer Selbstdarstellung. Beim Museumsbund spiegelt sich, was Geschlechtergerechtigkeit angeht, der bundesweite Trend in der Museumslandschaft. Sechs von neun Vorstandsmitgliedern sind weiblich, an der Spitze steht ein Mann, Vizepräsidentin ist die Direktorin des Überseemuseums in Bremen, Prof. Dr. Wibke Ahrndt. Auch sie meint: "Frauen in Leitungspositionen, Frauen als Besucherinnen, die Lebenswelt von Frauen als Ausstellungsthema sind in den Museen seit Jahren eine Selbstverständlichkeit."
Sie sieht das Problem nicht in der Repräsentanz von Frauen im Museum, sondern "in der extrem geforderten Mobilität, den der Einstieg in die akademischen Museumsberufe oft mit sich bringt. Im Jahrzehnt nach der Hochschulausbildung wird in der Regel mehrfach die Stadt gewechselt, die Stellen sind meistens befristet. Dabei bleibt die Familienplanung auf der Strecke. Die männlichen Kollegen dagegen haben sehr oft Familie." Sie hofft für die kommende Generation, dass die Gesellschaft für dieses Problem eine Antwort findet.