Mit Soziologie-Studium weise wirtschaften
Von Juliane Brumberg
Im mittelfränkischen Ergersheim hat die Firma Mekra Lang innerhalb von 30 Jahren rund 900 Arbeitsplätze geschaffen. 2008 wurde sie vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit, Sozialordnung, Familie und Frauen als Best-Practise-Unternehmen ausgezeichnet. Gemeinsam mit zwei Cousins und ihrem Ehemann führt eine Frau, Susanne Lang, den mittelständischen Familienbetrieb.
Schon von Weitem leuchtet das Hochregallager über die fränkische Agrar-Landschaft und überragt auch die beiden Kirchtürme des 650-Seelen-Dorfes, das zu einer Gemeinde mit vier Ortsteilen und insgesamt 1200 Einwohnern gehört. Erst im Herbst vergangenen Jahres wurde das neue Verwaltungsgebäude eingeweiht. Im Eingangsbereich gibt es strenge Kontrollen, denn hier wird nicht nur investiert, hier wird auch geforscht und neue Technik entwickelt - und vor Werkspionage ist niemand gefeit.
Während die Eltern unten in den Produktionshallen komplizierte Spiegel und Kamerasysteme für Busse und Nutzfahrzeuge herstellen, können ihre Kinder unterm Dach im Montessori-Kindergarten Hausaufgaben machen, spielen, essen oder schlafen - rund um die Uhr von 5.30 bis 18 Uhr und bei betriebsbedingten Überstunden auch am Samstag. "Unsere Leute sollen nicht denken, ach je, ich muss auf die Arbeit und was ist mit meinem Kind, sondern sie sollen sich wohl fühlen und gerne kommen", berichtet Geschäftsführerin Susanne Lang, die die Kindergartengründung 2006 initiiert hat. Am Rande erklärt sie, dass das oft verrufene neue Bayerische Kindergartengesetz Betriebskindergärten sehr entgegen kommt, weil sich die Förderung nicht nach Gruppen sondern nach der Anzahl der Kinder richtet und es möglich ist, Räume umzuwidmen. Mittlerweile gibt es hier über 70 Plätze.
Faschingsumzug durch die Werkshallen
In Ergersheim wissen die Eltern ihren Nachwuchs gut versorgt und die Kinder kennen, was heute selten der Fall ist, die Arbeitsplätze ihrer Mütter oder Väter. Und wenn der große Faschingsumzug der Kinder es nicht bis in die letzte Halle schafft, sind die Beschäftigten enttäuscht. Mit "ihrem" Kindergarten identifiziert sich die Belegschaft; bei Firmenfesten wird gerne dafür gespendet - übrigens auch von den Firmenkunden und Zulieferern, die merken, dass Unterstützung für den Kindergarten besser ankommt, als irgendein Werbegeschenk.
Natürlich ist die Firma an der Finanzierung beteiligt, aber wirtschaftlich lohnt sich das allemal, denn qualifizierte Mitarbeiterinnen bleiben uns erhalten und wir müssen nicht neue Leute suchen und aufwendig einarbeiten.
Fragebogenaktion für Dorf und Firma
Das ist die leuchtende Seite dieses Best-Practise-Beispiels. Die Problematische ist jene, dass es gar nicht so einfach ist, eine Firma in einem Dorf ohne Schule, ohne Einkaufsmöglichkeit und zu drei verschiedenen Pfarrsprengeln gehörend, zum Blühen zu bringen. Es werden zwar immer Arbeitsplätze für das flache Land gefordert, damit die Dörfer nicht aussterben, doch dann gibt es nicht einmal eine einheitliche Schulbusregelung, geschweige denn öffentlichen Nahverkehr. "Für jedes Stück Butter müssen wir ins Auto steigen", bemängelt Susanne Lang.
Für sich selbst und für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht darum, möglichst viel Geld zu verdienen, sondern um die Frage: "Wie wollen wir leben?" Deshalb hat sie zusammen mit ihrer Mitarbeiterin Elisabeth Döbler-Scholl einen Fragebogen entwickelt, und an alle Haushalte der Gemeinde Ergersheim sowie die Betriebsangehörigen verteilt - über 1200 mal. "Wie stehen Sie zu Freizeiteinrichtungen in der Gemeinde und wären Sie bereit, diese gemeinsam entstehen zu lassen?" oder "Grundschule Ergersheim - Was halten sie davon? Wären Sie bereit, bei einer entsprechenden Qualität der Einrichtung Schulgeld zu entrichten?" heißt es darin. Die Rücklaufquote war mit über 50 Prozent erstaunlich hoch und nach der Auswertung sollen dann in Absprache mit der Gemeinde entsprechende Projekte - möglicherweise eine Montessori-Schule - initiiert werden. Die Fragebogenaktion nennt Susanne Lang augenzwinkernd "mein zeitaufwendiges Hobby".
Dass die Geschäftsführerin, leger gekleidet mit dunkelgrünem Strähnchen im rostbraunen Haar, diesen Blick für das große Ganze und nicht nur für den kurzfristigen Profit der Firma hat, hängt mit ihrem Soziologie-Studium zusammen. "Eigentlich hätte ich gerne Maschinenbau studiert, aber mein Vater meinte, das studieren schon deine Cousins und außerdem ist das Männersache." Neben Betriebswirtschaft mit dem Schwerpunkt Produktion und Materialwesen und nicht etwa dem klassischen Frauenthema Personalwesen, studierte sie Organisations- und Umweltsoziologie in Wien und machte dort auch ihren Abschluss. "Die Soziologie hat mir mehr geholfen als BWL", sagt die 36jährige Firmenchefin, die im Gespräch deutlich ausstrahlt, dass sie sich nicht auf das Kindergartenthema reduzieren lässt. In der Firma ist sie neben dem Personal auch für IT und Sicherheit zuständig sowie für das Lean-Management, also die Vermeidung von Verschwendung. Beim Gang durch die Werkshallen gefragt, ob sie diese hochkomplizierten Maschinen denn auch verstehe, antwortet sie "selbstverständlich" und fügt schmunzelnd hinzu: "Mein zweites großes Hobby ist Maschinen einkaufen. Andere Frauen kaufen Kleider, ich bevorzuge Maschinen, nur leider ist das teurer."
Mit Technik gegen toten Winkel
Die Firma Mekra Lang hat sich weltweit auf die Herstellung von Spiegeln und Kamerasystemen für Busse und Lastwagen spezialisiert und dafür Lösungen entwickelt, die den berühmten toten Winkel, der schon zu vielen tödlichen Unfällen geführt hat, sichtbar machen oder die Vibration von rüttelnden Außenspiegeln vermeiden. Daimler hat über 3000 Zulieferbetriebe und unsere Firma ist da, was die Qualität angeht, an sechster Stelle ausgezeichnet worden, berichtet stolz Mitarbeiterin Elisabeth Döbler-Stoll. Mekra Lang ist in der Branche Weltmarktführer und produziert jährlich 8 Millionen Außenspiegel in verschiedenen europäischen Ländern, aber auch in den USA, Brasilien und China. Schwerpunkt, was die Arbeitsplätze angeht, soll aber in Deutschland bleiben.
Schon Großmutter war Kauffrau
Vor mehr als 75 Jahren haben Großmutter und Großvater von Susanne Lang am Tag ihrer Eheschließung eine Spiegelfabrik in Fürth gegründet. Der Vater expandierte dann 1978 aus Platzgründen in Ergersheim.
An Vorbildern, was berufstätige Mütter angeht, mangelt es Susanne Lang nicht: "Schon meine Großmutter war die 'Kauffrau' und hat die Geschäfte geführt, während mein Großvater eher der Ingenieur war. Firma und Familie flossen ineinander und in meinen ältesten Kindheitserinnerungen sehe ich mich mit zwei oder drei Jahren Spiegel einpacken. Oder ich saß an der Kasse in der Buchhandlung meiner mütterlichen Großeltern, in der meine Mutter als Buchhändlerin tätig war und habe mit meiner Großmutter Karten gespielt. Meine mütterliche Großmutter war sogar schon 1919 als Wochenbettschwester berufstätig." So war es für sie ganz selbstverständlich, vier Wochen nach der Geburt ihrer Tochter Elea an einer Managementbesprechung teilzunehmen.
Die Nutzfahrzeugbranche ist eine Männerdomäne und bei Mekra Lang gibt es für Führungspositionen nicht viele weibliche Bewerberinnen: "Aber wenn welche kommen, sind sie richtig gut und bringen andere Aspekte rein". Emanzipation ist für Susanne Lang die Aufwertung des Unterschieds: "Ich erinnere mich an ein Seminar zu geschlechtsspezifischem Führungsstil. Es hieß 'Frauen führen anders. Männer auch'. Jeder und jede bringt etwas Unterschiedliches ein und daraus wird ein Ganzes. Zu Studentinnen habe ich bei einer Firmenbesichtigung einmal gesagt: 'Versucht nicht, wie die Männer zu sein, seid einfach ihr selbst'."