Evangelischer Presseverband für Bayern e.V.

Nützlich, praktisch, vorbildhaft - die "Frankfurter Küche"

 

Heft 4/2015 Ganz normal?

Von Leonie Krüger

 

Die "Frankfurter Küche" gilt als Prototyp der modernen Einbauküche. Sie wurde von der österreichischen Architektin Margarete Schütte-Lihotzky entworfen und war wegweisend für spätere Entwicklungen. Das Grundprinzip einer kleinen, kompakten Küche, in der alles griffbereit ist, stellt noch heute ein Ideal für die Küchenplanung dar.

"Wie kann man mit richtigem Wohnungsbau der Frau Arbeit sparen?" lautete der Titel einer Studie, in der sich die Architektin schon 1921 mit der Rationalisierung der Hausarbeit für Frauen beschäftigt hatte. Damit lag sie ganz im emanzipatorischen Trend ihrer Zeit. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren große Wohnküchen üblich, in denen gekocht und gegessen wurde. Lihotzky forderte stattdessen eine strenge Trennung von Wohn- und Arbeitsbereich.

Diese Meinung vertrat auch die Amerikanerin Christine Frederick 1922 in ihrem Werk "Die rationelle Hauswirtschaft": Die Frau sollte in der Küche einen eigenen Arbeitsbereich erhalten, möglichst funktional, zweckmäßig und zeitsparend konstruiert. Erna Meyer, die wichtigste deutschsprachige Vertreterin der Rationalisierungsbestrebungen im Haushalt, wollte ebenfalls die Arbeit der Hausfrau aufwerten: "Erst seit kurzer Zeit ist die Frau überhaupt dazu erwacht, ihre Hausfrauentätigkeit als Berufstätigkeit zu begreifen, deren Wert und Würde keiner anderen außerhäuslichen irgendwie nachsteht," schrieb sie in ihrem 1926 publizierten Standardwerk 'Der neue Haushalt'. Auf die Architektur des Neuen Bauens hatten diese Frauen nachhaltigen Einfluss.

Planen für die Arbeiterklasse

Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum die Österreicherin Margarete Schütte-Lihotzky für den sozialen Wohnungsbau nach Frankfurt berufen wurde. Wie in der Industrie wollte sie dort Arbeitsabläufe optimieren. So vermaß die Architektin mit Stoppuhr und Zollstock die zurückgelegten Wege während der Hausarbeit, um möglichst optimal die neue Küche zu planen.

Für ihre Küche wählte sie einen rechteckigen Grundriss von 3,44 x 1,87 m. Auf einem höhenverstellbaren Drehhocker konnte die Hausfrau in ergometrischer Körperhaltung ihre Arbeiten verrichten. Nur mit einer Drehbewegung vom Herd waren die Vorratsschubladen (Schütten) erreichbar. Zur optimalen Belichtung lag die Arbeitsfläche am Fenster. Bis ins kleinste Detail waren die Arbeitsabläufe rationalisiert: So diente ein herausnehmbares Schubfach am Ende der Arbeitsfläche dazu, Küchenabfälle aufzunehmen. Um das Abtrocknen von Geschirr zu ersparen, wurde ein Tellerabtropfgestell installiert. Alle Schränke standen auf Betonsockeln, damit sich der Fußboden gut reinigen ließ. Die Hängeschränke besaßen Glastüren, so dass die Geschirrteile von außen gut sichtbar waren.

1926 kamen die ersten "Frankfurter Küchen" auf den Markt. Sie entwickelten sich zum Verkaufsschlager: Über 10.000 Exemplare wurden hergestellt. Bis heute sind nur noch wenige Exemplare in Museen erhalten.

Kritik aus feministischer Ecke

Kritikpunkte an der "Frankfurter Küche" gab es mehrere: Die zeitgenössische Kritik richtete sich vor allem gegen technische Details, z. B. dass der Grundriss zu schmal und das Ordnungssystem zu starr seien. Die feministische Kritik der 70er und 80er Jahre des 20. Jahrhunderts zielte auf die Konzeption der "Frankfurter Küche", die nur für eine Person (Hausfrau) vorgesehen sei: Die isolierte Berufstätigkeit der Hausfrauen und ihre eindeutig geschlechtsspezifische Rollenzuweisung wurden angeprangert.

Mir erscheint problematisch, dass Hausfrauen selbst in die Konzeption der "Frankfurter Küche" nicht mit einbezogen wurden. Die Bewohnerinnen und Bewohner mussten ihre Lebensgewohnheiten zum Teil radikal ändern. Einige Familien nutzten z. B. die Küchen gar nicht, sondern kochten auf dem Stubenofen im Wohnzimmer, weil sie lieber eine Wohnküche haben wollten. Die Architektinnen und Architekten des Neuen Bauens fühlten sich offensichtlich als Avantgarde. Sie bestimmten, welche Wohn- und Arbeitsformen im sozialen Wohnungsbau sie für optimal hielten, und nahmen andere mögliche Verhaltensformen wenig oder eingeschränkt wahr.