Nur nicht verstecken
Von Ines Rein-Brandenburg
"Dann ziehe ich mein enges Abendkleid Größe 46 an..." Lizzy Aumeier schlägt Kapital daraus, nicht schlank, nicht jung und nicht damenhaft-zurückhaltend zu sein. Sie spielt mit den weiblichen Idealmaßen, mit Sex-Klischees, mit dem Jugendwahn. Wo ihre weiblichen und männlichen Kabarett- Kollegen sich an Politik und Gesellschaftskritik abarbeiten, pflegt sie selbstironische Körperlichkeit. Zuletzt brachte ihr das 2012 den Bayerischen Kabarettpreis ein, zuvor 2010 den Deutschen Kabarettpreis und eine Reihe weiterer Auszeichnungen, 1994 mit dem Kulturförderpreis der Stadt Nürnberg beginnend.
Ursprünglich ist Lizzy Aumeier Musikerin. Sie studierte am Meistersinger-Konservatorium Nürnberg bei Nikola Filipov, erhielt dafür ein Stipendium des Bayrischen Rundfunks und examinierte als erste Frau und mit Note "sehr gut" am Meistersinger-Konservatorium Nürnberg im Fach Kontrabass. Dieser Ausbildung folgte noch ein Jazzstudium. Sie gründete verschiedene Ensembles, am bekanntesten ist "Lilienweiss" - Bayerns einziges Damen-Salonorchester - das mittlerweile "Lizzy und die weißen Lilien" heißt.
Bühne als Therapie
Aber richtig bekannt wurden die Auftritte auf Kabarett-Bühnen und in Fernsehsendungen, allein oder mit Kollegen. Die Auftritte vor Publikum, die freche Sprache, die gezielte Wahl heikler Themen - das "ist meine persönliche Therapie", sagt sie. Offen berichtete Aumeier, durch eine lange Phase von Magersucht und Depression gegangen zu sein. Als sie überraschend dick wurde, dauerte es lange, bis eine Autoimmunerkrankung diagnostiziert wurde, die zu einer Schilddrüsenunterfunktion und zu starker Gewichtszunahme führt. Im Rückblick stand sie vor der Alternative: "Entweder ich verstecke mich, oder ich sage: So bin ich".
Auf der Bühne heißt das: "Wie kommt man zu so einem Körper? Mit Disziplin!" und dann mit schulmeisterhafter Betonung jeder einzelnen Silbe: "Ja, da musst du halt auch abends mal was essen!"
Nein, sie versteckt sich nicht. Das hat sie schon als Kind gelernt. In Neumarkt in der Oberpfalz ist sie geboren und aufgewachsen, und ausgerechnet hier, in der tiefschwarzen Kleinstadt, ist der Vater bei der SPD. "Die Familie war da fast geächtet," blickt sie zurück. In der Generation der Mutter hatten sich die Frauen zurückgenommen, die Männer bestimmten, und die kleine Elisabeth kam zu der Einsicht: "So möchte ich nicht leben". Kritische Distanz pflegt sie auch zur Kirche, dort, wo sie Scheinheiligkeit, Verlogenheit, Angst und Drohung vorfindet und sich die Hierarchie aufbläst. Persönlich bekennt sie sich jedoch zum christlichen Glauben, betet, zieht Kraft aus der christlichen Botschaft, aus Jesu Liebe und Vergebung. "Ich kenne gute Pfarrer, deswegen trete ich nicht aus" aus der katholischen Kirche, der Ehemann ist evangelisch, das Familienleben somit ökumenisch.
Politisch unkorrekt
Sie sucht nicht nach der Marktlücke, den aktuellen Gags, die ankommen: "Ich erzähle nur aus meiner Welt, aus meinem Leben". Wenn Lizzy Aumeier scheinbar über Wirtschaftspolitik nachdenkt und die Begriffe "Deflation" und "Strukturwandel" in den Mund nimmt, knetet sie ihnen Busen und demonstriert die schlaffen Oberarme einer Frau über 50 - seit Januar diesen Jahres kann sie auch mit der Überwindung dieser Alters-Schamschwelle kokettieren. "Ich will Frauen Mut machen, zu sich selbst zu stehen. Männer haben kein Problem, sich toll zu finden," findet sie.
Bissigen Kommentaren zum Trotz: Männerfeindlich will sie nicht sein. Nur verlogene Angeberei ist ihr zuwider. "Ich brauche keinen Mann, der mich ernährt, sondern einen, der zu mir steht." Was nicht heißt, dass sie ihren Ehemann und Manager auf der Bühne schont: "Mein Mann kommt aus Leipzig, aber er spricht deutsch", tappt die Oberpfälzerin bewusst in die Falle der political incorrectness. Oder: "Ich ertrage seit 14 Jahren sächsischen Humor, und ich bin noch nicht einmal nominiert für den Friedensnobelpreis."
Und weil es ihre Therapie und ihr Lebensinhalt ist, kann sich Aumeier auch kein Ende des Bühnenlebens vorstellen. "Ich bin ja in der guten Situation, dass ich mich auf der Bühne auskotzen kann. Ich glaube nicht, dass ich damit aufhören kann", überlegt sie. "Auf der Bühne sterben, mit meinem Kontrabass im Arm - das fänd' ich cool."