Evangelischer Presseverband für Bayern e.V.

So kann Mobilität auf dem Land klingen

Heft 1/2014 Zukunftsmusik

Von Christine Stradtner

Manche Vorstellungen von umweltfreundlicher Mobilität auf dem Land klingen wie sphärische Klänge aus einem fernen Land. Einige zeitgenössische Melodien lassen sich aber schon heute singen und praktizieren.

Elektroauto fahren wir, die Pfarrfamilie Stradtner seit 15 Jahren. Die Mobilität ist bedarfsorientiert gewachsen, bzw. hat sich verändert. Vor 15 Jahren fuhren mein Mann und ich normale Fahrräder, dann kam mit dem ersten Kind das Twike, ein dreirädriges Fahrrad mit Dach und Elektromotor. Heute, mit drei jugendlichen Kindern fahren wir den Elektro-Zweisitzer Twizy, das für uns komfortabelste Auto mit extrem hohem Spaßfaktor.

Kurzstrecken bis zu 20 km, um z.B. einen Sohn von der Ausbildung abzuholen oder zu einer Sitzung nach Uffenheim zu fahren, werden mit unserem orangefarbenen Twizy getätigt, der eine Reichweite von ca. 90 km hat und an jeder beliebigen Steckdose aufgeladen werden kann. Es hat allerdings keine Heizung und kein Radio. Im Twizy, trällere, summe, schreie und singe ich aus Herzenslust, was so an Melodien aus mir aufsteigt. Natürlich nur, wenn ich alleine fahre, die Kinder finden das sonst peinlich. Wenn ich z.B. nach Neuendettelsau zum Studientag fahre, beginnt das mit einer 12 km langen Fahrradfahrt durch die fränkische Kulturlandschaft zum Bahnhof. Im Zug beginnt bereits die Zeit des Abstands. Ich lese, schreibe Karten, notiere etwas im Tagebuch. Zweimal umsteigen bis Neuendettelsau: Ansbach und Wicklesgreuth. Nervig ist das nur, wenn Anschlusszüge nicht aufeinander warten.

Unser Familienurlaub führte uns im letzten Sommer in die Kulturhauptstadt Marseille. Mit dem Taxi ging es zum Bahnhof und dann weiter mit dem Zug.

Die Melodien unserer Mobiltät sind sehr unterschiedlich. Zur Schule, in die Dörfer zu einem Besuch, fahre ich mit dem Fahrrad. Unsere Elektrofahrräder sind nicht nur bei den Kindern begehrt, v.a. um das schnelle e-Bike streiten wir bei schönem Wetter: wer darf das Fahrrad fahren und wer muss Auto fahren?

Dorfauto

Wenn die ganze Familie weiter weg muss, dann brauchen wir ein Auto mit mehr als zwei Plätzen. Dafür gibt es bei uns das Carsharing der Kirchengemeinde, das Dorfauto Gnötzheim. Wenn dieses Dorfauto seine Runden dreht, dann sind das alte Melodien, die neu gepfiffen werden. "Das ist wie früher beim alten Meyer, die haben auch ihr Auto gemeinsam gehabt," sagt eine Kirchenvorsteherin, als die Idee in der Kirchengemeinde entsteht, miteinander ein Auto zu unterhalten.

Als kleinste Carsharing Einheit Deutschlands teilen sich 10 Familien ein Auto in der kleinen Landgemeinde.

Die Buchung erfolgt qua Googlekalender. Die Stunde kostet zwei Euro und für jeden Kilometer werden 20 Cent verlangt. Die Abrechnung macht die Vertrauensfrau des Gnötzheimer Kirchenvorstands Claudia Ott, ihr Mann Wilhelm ist Vorstand.

Im Nachbarort hat sich eine Gemeinde einen Generationenbus gekauft. Ab November 2013 dreht ein - von den politischen Gemeinden getragener - Bürger- und Bürgerinnenbus seine Runden. An drei Vormittagen fahren Männer und Frauen aus unseren Gemeinden ehrenamtlich viermal die Runde durch unsere Dörfer. Die Fahrt kostet einen Euro, Plausch und Anteilnahme an der jeweiligen Situation inklusive. So lernen sich Menschen aus verschiedenen Dörfern kennen. Auch ich bin eine der Fahrerinnen. Am liebsten aber ist es mir, mich mit eigener Kraft fortzubewegen. Fahrrad fahren ist Freiheit. Um mich herum Natur, Luft. Ich bewege mich. Die Gedanken können fliegen. Manchmal bewegen mich noch Gespräche aus der Schule oder von einem Besuch. Ich kann ein Gespräch im Kopf weiterführen, kann etwas zurücklassen. Mein Fahrrad ist mein Dienstfahrzeug. Ich bin ansprechbar, winke Menschen zu. Sie rufen mir etwas zu.

Zukunftsmelodien - Ich lerne gerne neue Lieder. Oder alte Melodien mit neuen Texten, auch ganz neuen.

Christine Stradtner ist Pfarrerin in Gnötzheim/Unterfranken