"... und vor allem: Gesundheit!"
Heft 2/2010 FrauenHeilkunde
Von Heidrun Hemme
"Gesundheit ist doch das Wichtigste." - So enden viele Geburtstagswünsche, besonders dann, wenn es ein höherer Geburtstag ist. Aber ist das wirklich so? Ist Gesundheit wirklich das Wichtigste?
Wenn man in die Zeitungen schaut, sollte man das meinen. Es fängt bei den Zeitschriften der Regenbogenpresse an und hört in der Apothekenzeitschrift noch lange nicht auf. Fernsehsendungen und Rundfunkreportagen beschäftigen sich damit, die Krankenkassen, pardon, Gesundheitskassen rufen Gesundheitstage aus. Vorsorge gegen Krankheit, Versicherung gegen Unfall, Maßnahmen gegen Alter - und vor allem: Gesundheit!
Wie mag es eine chronisch an schwerer Arthrose erkrankte 73jährige Frau empfinden, wenn ihr viele der Gratulanten wünschen "... und vor allem: Gesundheit!"? Es ist nicht wahrscheinlich, dass die durch Krankheit veränderten Gelenke sich je wieder regenerieren. "Nein", sagt sie, "ich wünsche mir vor allem Freundschaft, Liebe und fröhliche Begegnungen. Das hilft mir dann, genug Kraft zu haben, die Schmerzen zu ertragen. Daran merke ich Gottes Segen!"
Wenn in der Bibel die Rede von Krankheit und Gesundheit, bzw. von Heilung ist, hat das immer mit der Gottesbeziehung zu tun. Dabei findet man auch keine dualistische Vorstellung sondern es ist im hebräischen Denken immer eine Einheit von Körper und Geist zu sehen.
Heilung als Befreiung
Als Ursache für Krankheit wird dabei oft Alter oder Krieg betrachtet und sehr oft auch Dämonen, die den Körper und Geist besetzen. Auch der Tun-Ergehens-Zusammenhang in Form einer Konsequenz für unangemessenes Verhalten - nicht zu verwechseln mit Lohn oder Strafe - spielt eine Rolle. Die Heilung wird von Gott erwartet als eine umfassende Befreiung von Krankheit, Gebrechen und gleichzeitig von sozialer Ungerechtigkeit. Davon heißt es bei Jesaja 29: "Die Tauben hören die Worte des Buches und die Augen der Blinden werden aus Dunkel und Finsternis sehen" und weiter: "Es wird ein Ende haben mit den Tyrannen".
Es trifft die Einstellung vieler Frauen zu einer umfassenden Vorstellung von Gesundheit, wenn in der Bibel das Thema Heilung immer als ein in das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen eingebundenes Thema vorkommt. Es ist keine ausschließlich medizinische Sache, die geschieht, wenn Jesus die gekrümmte Frau aufrichtet. Damit tut sich modernes, wissenschaftliches Denken oft schwer, weil es den Anschein hat, als ob es auch Gott war, der die Krankheit als Strafe oder Prüfung verursachte. Aber das ist nicht gemeint. Gemeint ist, dass es die heilende Kraft Gottes ist, die etwa in dem Propheten Elia, in Jesus oder denen, die ihm nachfolgten, für Heil und Rettung sorgt: Für Gesundheit an Leib und Seele.
Zwar wird inzwischen aus alternativmedizinischer Sicht der Zusammenhang zwischen Körper und Seele betont und auch die Schulmedizin fängt an, wahrzunehmen, wie sich der psychische Zustand eines Menschen auf die körperliche Gesundheit auswirkt. Insgesamt bleibt dabei aber der Blick auf der Krankheit, also auf der Vorstellung, dass Gesundheit das Fehlen von krankhaften körperlichen Veränderungen meint.
Rettung als Segen
Biblische Erzählungen stellen einen Zusammenhang her zwischen Heilung, Glaube und Rettung. Rettung und Heilung geschehen dabei oft gleichzeitig, sind aber nicht unbedingt aneinander gekoppelt. Ich denke an die Geschichte der 10 aussätzigen Menschen, die Jesus von ihrer Hauterkrankung befreite. Der einen Person, die umkehrt und sich bedankt, antwortet Jesus "Dein Glaube hat dich gerettet". (Lk 17,19). Differenziert von Heilung betrachtet ist es diese Rettung, die dem Menschen ermöglicht, zu spüren, dass Gottes Kraft gegenwärtig ist - und auf diese Weise Segen zu empfangen.
In diesem Sinne: "... und vor allem Segen!" Segen, der Kraft gibt, die Bedürfnisse der Seele und des sozialen Miteinanders genauso wichtig zu nehmen, wie die körperliche Befindlichkeit.
Heidrun Hemme ist Pfarrerin z.A. in Grafengehaig.