Unermüdliche Hilfe für Kollegin aus Uganda
Von Juliane Brumberg
Im August 2010 lernte eine Kölner Journalistin bei einer internationalen Fortbildung die Kollegin Lillian aus Uganda kennen, die dort wegen ihrer lesbischen Lebensform unglaublichen Verfolgungen ausgesetzt ist. Als Mitglied des Journalistinnenbundes initiierte sie in ihrem Netzwerk eine beispielhafte Hilfskampagne.
Lillian ist 30 Jahre alt, war in ihrem Heimatland Mitglied der Rugby-Nationalmannschaft und arbeitete als Journalistin. In ihrer Wohnung In Kampala wurde sie dreimal nachts überfallen, Angriffen voller Gewalt ausgesetzt und als "alte lesbische Fotze" beschimpft. Der Gang zur Polizei half ihr wenig, denn in Uganda wird homosexueller Geschlechtsverkehr mit Gefängnis geahndet. Außerdem gibt es einen Gesetzentwurf, der die Todesstrafe für Homosexuelle vorsieht und die Boulevard-Medien veröffentlichen immer wieder üble Hetzkampagnen, in denen schwule Männer und lesbische Frauen bloßgestellt werden.
Bei einem Gespräch während eines Workshops bemerkte die Leiterin Kerstin K. schnell, dass Lillian schwer traumatisiert war und große Angst davor hatte, in ihr Heimatland zurückzukehren. Über die Mailingliste des Journalistinnenbundes (JB) bat sie am 17. August um Unterstützung: "Liebe Kolleginnen, es ist das erste Mal, dass ich hier im Forum um Hilfe bitte für eine Kollegin aus Uganda." Um die Möglichkeiten eines Asylverfahrens zu prüfen "... entstehen Anwaltskosten von 250,- Euro. Ich kann das Anwaltshonorar nicht alleine tragen und möchte euch um finanzielle Unterstützung für Lillian bitten". Viele JB-Mitglieder reagierten sofort und schon am 1. September bedankte Kerstin sich in einer neuen Rundmail für gespendete 550 Euro. Außerdem hatte die Kollegin Karin F. Lillian spontan bei sich in ihrer Berliner Wohnung aufgenommen und begleitete sie mit Rat und Tat: zum Arzt, zur Anwältin, zur Lesbenberatung für Migrantinnen, usw.
Darüber hinaus hatte der Aufruf im JB-Forum eine enorme Weiterverzweigung zur Folge. Zu Kerstins Überraschung gingen Spenden von 22 Frauen und Männern ein, die nichts mit dem JB zu tun haben: Privatpersonen, aber auch ein Frauenhaus aus Mainz und eine autonome Frauen- und Mädchenberatung aus Hamburg.
Kurz darauf, während der Jahrestagung des Journalistinnenbundes im Ruhrgebiet, erbat Kerstin sich 10 Minuten Redezeit, um von dem Fall zu berichten. Das führte dazu, dass viele Journalistinnen sich neben der persönlichen Anteilnahme auch von Berufs wegen mit Lillian und der Lage in Uganda beschäftigten. Die skandalöse Verfolgung von homosexuellen Männern und Frauen bekam damit die ihr angemessene Öffentlichkeit.
Und Lillian bekam einen Laptop aus dem Kreis der JB-Frauen. Sie brauchte ihn dringend, um mit ihrer Heimat in Kontakt zu treten und die für ein Asylverfahren nötigen Unterlagen zu besorgen.
Dann neues Ungemach. Karin, die ihr Unterschlupf gewährt und bei der Asylbeantragung geholfen hatte, mailte am 26. September: "Die ZAA (Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber) in Berlin hat entschieden: Lillian wird im Verteilverfahren München zugeteilt. Das heißt, sie muss in der kommenden Woche nach München fahren und wird dort einem Erstaufnahmelager zugeteilt. Meine Frage an die Münchner Kolleginnen: Wären einige von euch bereit, Lillian unter ihre Fittiche zu nehmen und in München ein wenig zu betreuen und zu unterstützen?"
Die Münchner Kolleginnen waren bereit und drei von ihnen verbrachten im Oktober letzten Jahres viele Stunden damit, Lillian zu helfen. Es galt, sich mit der komplizierten Materie der Asylverfahren und der Unterbringung in den Aufnahmelagern vertraut zu machen.
Elke A. holte sie am Bahnhof ab und ging mit ihr zur Lesbenberatung, Beatrix B. besuchte mit ihr die neue Rechtsanwältin in München, Angelika K. übernahm Praktisches wie Arztbesuche und die finanziellen Fragen. Das erste Wochenende in München konnte Lillian bei einer Freundin von Elke privat wohnen.
Die Erstaufnahmestelle war zu dem Zeitpunkt mit Flüchtlingen aus Mazedonien total überlastet. Weder gab es genügend Betten noch reichten die Essenspakete aus. Außerdem brauchte Lillian dringend einen Therapieplatz, zum einen, damit sie lernen konnte, mit ihrem Trauma zu leben, zum anderen als zusätzliches Argument im Asylverfahren und dafür, dass sie nicht in ein bayerisches Dorf weiterverlegt würde - und dadurch die Anbindung an den JB und vor allem auch die Lesbenberatungsstelle LeTRa verlöre.
Dann wieder ein Hilferuf an das Journalistinnenforum: "Was wir hier lernen: so ein Asylverfahren ist aufwändig, anstrengend und mit ungewissem Ausgang. Unterkunft und Hilfe für Asylbewerber genügen nicht einmal Mindeststandards. Und es kostet Geld. Die Grundgebühr für die Anwältin beträgt 590 Euro. Das ist von Lillian nicht zu bezahlen und auch nicht von denen, die jetzt schon Zeit und Arbeit einsetzen und mit Geld für andere Ausgaben aushelfen. Wir bitten deshalb alle ganz herzlich zu spenden, damit Lillian in Sicherheit bleiben und ein menschenwürdiges Leben führen kann. Auch kleine Beiträge fügen sich zu einem großen Ganzen."
"Wofür braucht Lillian Geld? Lillian kauft sich zurzeit ihr Essen selbst, da sie im Heim noch nichts bekommen hat. Eine Monatsfahrkarte im Münchner ÖPN kostet um die 65 Euro, die Fahrkarte für Oktober wurde vom JB München geschenkt, super!!!!!! Aber es werden noch viele Monate folgen, bis das Asylverfahren vorüber ist. Seit Freitag hat Lillian Anspruch auf monatlich 40 Euro Taschengeld vom deutschen Staat (die reichen also nicht einmal fürs Ticket.)"
Über die Mailingliste nahm der Journalistinnenbund weiterhin deutschlandweit Anteil, und zwar so mitfühlend und engagiert, dass Angelika K. am 11. Oktober leicht verzweifelt mailte: "Liebe Forumsfrauen, wie ich gestern schon geschrieben habe: die Sache ist sehr kompliziert. Natürlich haben wir in München - und ebenso noch Kerstin und Karin - schon längst Kontakt mit dem Flüchtlingsrat und mit Frauenhäusern. Natürlich hat Lillian von uns Unterstützung in Form von Essen, Fahrten etc. erhalten und wird das auch weiterhin bekommen. Daneben bemühen wir uns um Mittel von anderen Organisationen. Bitte habt Verständnis dafür, dass wir nicht öffentlich über jeden Schritt unterrichten - weil uns das zeitlich überfordert. Wir wissen, dass all die Vorschläge etc. gut gemeint sind. Emotional ist es aber nicht immer hilfreich, weil es ja auch suggerieren kann, dass wir bisher noch nicht auf naheliegende Dinge gekommen sind oder nicht genügend getan hätten."
Die Münchnerinnen versorgten Lillian mit Winterkleidung und kauften ihr warme Schuhe. Die ihr ungewohnte Kälte machte Lillian zu schaffen, aber auch die beengte Situation im Erstaufnahmelager. Als eine der wenigen Schwarzen in einem 8-Bett-Zimmer mit überwiegend weißen Flüchtlingsfrauen hatte sie Probleme mit unterschwelligem Rassismus. Zum Glück konnte sie verlegt werden.
In einem anderen bayerischen Lager war ein schwuler Asylbewerber von Mitbewohnern zusammengeschlagen worden. Lillian hatte Angst und musste gegenüber ihren Landsleuten oder anderen AfrikanerInnen ihr Lesbisch-Sein sorgfältig verbergen.
Aufgrund ihrer Sprachprobleme wissen die meisten Asylsuchenden nicht, dass die Anhörung der allerwichtigste Termin des Asylverfahrens ist und unvergleichbar wichtiger als die anderen zahlreichen Behördentermine zum Abholen eines Stempels für dieses und jenes. Doch dank der guten Vorbereitung durch die JB-Frauen konnte Lillian bei der Anhörung im November von ihrer Rechtsanwältin und ihrer Therapeutin begleitet werden. Sie dauerte fünf Stunden, die Dolmetscherin war den Tränen nahe während sie Lillians Leidens-Geschichte übersetzte.
Einer der schöneren Momente für Lillian war eine Benefiz-Party für sie, die eine Freundin von Elke organisiert hatte und auf der sie selber mittanzte. Zu Beginn des neuen Jahres normalisierte sich der Alltag für Lillian - aber was ist für Asylbewerberinnen aus einer fremden Kultur schon normal? Seit Anfang Februar nimmt Lillian an einem Deutsch-Kurs im Eine-Welt-Haus teil, das gibt dem Alltag Struktur.
Lillian selbst weiß die Unterstützung der JB-Frauen zu schätzen: "Ich hatte immer eine Schulter zum Anlehnen. Das Journalistinnennetzwerk half mir, mehr als ein zu Hause in Deutschland zu finden. Solche Erfahrungen wären woanders nie möglich gewesen, insbesondere die Unterstützung der Journalistinnen. Sie lösten meine größten Probleme, während ich auf die Antwort vom Bundesamt für Asylbewerber wartete".
Am 24. Februar dann die erlösende Mitteilung, Elke mailte: "Liebe Forumsfrauen, da einige von Euch mitgebibbert und auch gespendet haben, möchte ich Euch die frohe Nachricht überbringen. Lillians Asyl-Antrag ist angenommen. Sie darf nun in Deutschland bleiben und ist total erleichtert und glücklich."