Wenn das Land im Meer versinkt
Von Dorothea Cunradi
"Was geschieht mit mir, mit meinem Volk, mit meinem Erbe, wenn unser Land im Meer versinkt?" Das fragen sich die Frauen der Carteret Inseln im südpazifischen Ozean.
Die Heimat von Ursula Rakova liegt bis jetzt noch auf einem Atoll bei Bougainville / Papua Neuguinea (PNG). Auswirkungen der Klimaerwärmung haben dazu geführt, dass der Meeresspiegel steigt. Die Carteret Inseln werden bis 2015 versunken sein und mit ihnen das Erbe und das Land einer matrilinearen Kultur.
"Meine Großmutter vererbte ihr Land meiner Mutter und von dieser ging es auf mich über. In zehn Jahren würde ich es gern meiner Tochter vermachen, aber das wird mir nicht mehr möglich sein." Das Land ist für die Insulanerinnen mehr als ein Stück Erde, ihre Rituale, ihre Identität ist an das Land gebunden. Die Frauen fragen sich, ob sie ihre Kultur, ihre Lebensart an einem anderen Ort nach einer Umsiedelung noch aufrecht erhalten können.
Rund 3000 Menschen, die auf den Inseln leben, müssen sich eine neue Heimat suchen, irgendwo in Ozeanien. Als Flüchtlinge der Klimakatastrophe erhalten sie keinen offiziellen Flüchtlingsstatus und genießen keinen rechtlichen Schutz. Kein Land ist verpflichtet die Flüchtenden aufzunehmen, sie sind darauf angewiesen, dass irgendwo in Ozeanien ein Goodwill-Akt geschieht.
Schon jetzt können die Menschen auf den Inseln ihre Ernährung nur noch durch Versorgungsschiffe sichern. Doch die Schiffe kommen unregelmäßig und die Versorgung aller wird immer schwieriger.
Klimaflüchtlinge
Ursula Rakova hat im Auftrag der Ältesten das Schicksal ihres Inselvolkes in die Hand genommen und die Situation des Volks bekannt gemacht. So war sie z. B. als Klimazeugin bei den Vereinten Nationen in New York anwesend und hat die Medien auf das Versinken der kleinen Inselgruppe aufmerksam gemacht. Frau Rakova studierte Sozialwissenschaften an der Universität von PNG und war maßgeblich an der Gründung von Tulele Peisa beteiligt.
Heute ist sie die Geschäftsführerin dieser Organisation, die den Menschen der Carterets bei der Umsiedelung hilft. Auch wenn die Frauen die Notwendigkeit sehen die Inseln zu verlassen, bricht es ihnen doch das Herz wegzugehen. Teresa Hetsi, eine Mutter von drei Kindern, die einst einen blühenden Garten besaß sagt bedauernd: "Alles was geblieben ist sind Kokospalmen, weil das Meer meinen Garten zerstört hat." Die Schule ist längst überschwemmt, die Kinder gehen hungrig schlafen. Doch die unausweichliche Umsiedelung ist nicht einfach.
Eine katholische Gemeinde auf der Nachbarinsel Bougainville hat nach langen Verhandlungen und vielen Appellen an ihre christliche Gesinnung den Flüchtenden Aufnahme zugesagt. Allerdings fehlt es den Menschen aus Carteret an Geld um die Umsiedelung aller zu finanzieren und das Land auf dem sie zukünftig wohnen werden rechtsgültig abzusichern.
Die eigene Kultur in einem anderen Land bewahren
Ursula und die anderen Frauen haben ihr materielles Erbe verloren, um ihr kulturelles Erbe werden sie kämpfen müssen. Sie werden sich in einer patriarchal geprägten Kultur ansiedeln, in der Besitz und Erbe den Männern vorbehalten ist, Frauen wenig Rechte haben, die ihnen Bildung, Ernährungssicherheit und körperliche Unversehrtheit garantieren.
Für Ursula Rakova geht es vor allem immer wieder um die Frage nach den Menschenrechten wenn der Klimawandel Menschen zwingt ihr Zuhause aufzugeben und an Orten zu leben, die sie sich nicht ausgesucht haben. Für ihr Engagement wurde sie 2008 mit dem Orden 'Pride of PNG ausgezeichnet. Sie gilt als eine unermüdliche Verfechterin der Menschenrechte. Insbesondere ihr Beitrag als Frau für die Menschen der Carteret Inseln wurde als herausragend gewürdigt.
Gespräche auf ABC-TV (siehe www.abc.net.au/foreign/content/2007/s1903373.htm)