Evangelischer Presseverband für Bayern e.V.

Widerständig sein, ohne zickig zu werden

Heft 4/2012 frei-willig

Von Rieke C. Harmsen

 

Im Foyer der Akademie Tutzing hängt ein riesiges Gemälde des Künstlers Harald Duve mit dem Titel 'Abendmahl', auf dem ausschließlich Männer zu sehen sind. Es sind Kleinigkeiten, die bei dem ersten 'Frauenmahl' in der Evangelischen Akademie Tutzing auffielen und von den geladenen 58 Damen belächelt und ironisch thematisiert wurden. Frauen haben in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit immer noch einiges nachzuholen, konstatierte Ulrike Haerendel, Studienleiterin der Evangelischen Akademie Tutzing, gleich zu Beginn des Abends. Aus Anlass der Lutherdekade hatten sich das Diakonische Werk Bayern, die Gleichstellungsstelle der evangelischen Landeskirche und die Akademie zusammengetan, um zum ersten 'Frauenmahl' nach Tutzing einzuladen. Ziel sei es, Frauen in verantwortlichen Positionen zu stärken, sie zu vernetzen und damit die Zukunft von Kirche und Gesellschaft mitzugestalten.

Die Idee des Frauenmahls ist eine bundesweite Initiative

Die Idee zum Frauenmahl stamme aus Marburg und sei inzwischen eine bundesweite Initiative, an der sich viele Landeskirchen beteiligen, erklärte die Gleichstellungsbeauftragt der Landeskirche, Johanna Beyer. Die bayerischen Organisatoren hätten sich vorgenommen, bis zum Ende der Lutherdekade im Jahr 2017 regelmäßig zum Abendessen mit Tischgesprächen einzuladen. "Wir möchten die Erfahrungen und Perspektiven von Frauen in den allgemeinen Diskurs einbringen", so Beyer.

Die 58 Frauen, die an diesem lauen Sommerabend nach Tutzing kamen, genossen offenkundig Sekt und Häppchen sowie das Vier-Gänge-Menü im Festsaal des Schlosses. Das Besondere des Abends waren aber die Tischreden zum Thema Geschlechtergerechtigkeit. Die Vizepräsidentin der Technischen Universität München, Hannemor Keidel, erinnerte sich etwa an die Zeit, als sie mit Kind promovierte und der Ehemann erklärte, dass eine Habilitation mit einem weiteren Kind ja wohl ausgeschlossen sei. Die ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Christine Scheel beschwor die Macht der Frauen, die Bürgerinitiativen begründen und Frauenquoten durchsetzen könnten, wenn sie nur stark genug dafür kämpfen. Die Theologin Renate Jost machte Mut und zeigte auf, wie die feministische Theologie in den vergangenen Jahren die männliche Definitionsmacht hinterfragt habe.

'Gesetzesknödel' können nicht schaden

Die Finanzberaterin Constanze Hintze kritisierte ungleiche Löhne an und forderte die Frauen auf, sich rechtzeitig um ihre Rentenansprüche zu kümmern. Und Birgit Löwe, Vorstandsmitglied des Diakonischen Werks Bayern, bezog Position zum Betreuungsgeld für Kinder. "Das Betreuungsgeld darf nicht zum Frauenproblem werden", erklärte sie, vielmehr müsse eine Erziehungsleistung honoriert und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf diskutiert werden.

Frauenquote, Betreuungsgeld, gerechte Bezahlung - die Themen, die in Tutzing diskutiert wurden, waren nicht neu, auch mangelte es zuweilen an konkreten Lösungsvorschlägen. Da kam die launige Tischrede von Karla Sichelschmidt, Leiterin des Landeskirchenamts, gerade recht: "Frauen müssen lernen, widerständig zu sein, ohne zickig zu werden", konstatierte die Juristin und forderte, sich untereinander gezielt zu fördern und Wert zu schätzen. "Ein paar Wertschätzungscroutons und Gesetzesknödel können nicht schaden", erklärte sie. Oft sei die Gesetzgebung nicht dazu geeignet, eine Situation grundlegend zu ändern. Andererseits gebe es viele Gesetze, die zur Geschlechtergerechtigkeit beitragen, aber noch nicht umgesetzt wurden. Dafür müssten sich Frauen viel deutlicher einsetzen - und die Umsetzung zu einer "Herzensangelegenheit" machen.

Rieke C. Harmsen ist Redakteurin beim Evangelischen Pressedienst (epd) im Bezirk München-Oberbayern.